Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)
wenn er
seine Frau fragte, wann sie denn glaube, dass sie es wieder benutzen würde, kam
nur ein schon fast eingeschnapptes »zu Weihnachten« oder so heraus. Sie war
wirklich der festen Überzeugung, dass es irgendwann einmal wieder von Nutzen
sein konnte. Deswegen sagte er auch schon nichts mehr, sondern schaffte es für
sie einfach auf den Dachboden, damit es für »später« gut verstaut war.
Aber
nicht heute Morgen. Sebastian war auch schon früh mit Dennis weggegangen, und
so hatte er das Haus, vielmehr den Fernseher für sich. Nur leider lief um diese
Uhrzeit nicht sonderlich viel. Er hätte sich ja einen »Bud Spencer und Terence
Hill«-Film gewünscht, aber sogar für die beiden war es im Programm zu früh.
Also schaute er Nachrichten auf dem Wissenschaftssender.
Dass
auf einem Wissenschaftssender auch normale Nachrichten liefen, war eine ganz
normale Sache, wurden sie aber immer noch ein bisschen besser aufbereitet. Die
Sprecherin erklärte gerade, dass in der letzten Zeit von den Sternwarten
komische Ereignisse am Himmel aufgezeichnet worden seien, und dass einige
Zuschauer vermehrt Sternschnuppen oder Kometenabgänge beobachtet hätten, die
bei ihnen und in der Nähe von Köln zu sehen gewesen sein könnten. Aha. Auch hätte
die Internationale Raumstation ISS eine leichte Kurskorrektur vornehmen müssen,
da sie aufgrund ungeklärter Ursache ein wenig von ihrer Bahn abgekommen sei.
Aha. Man wolle der Ursache aber möglichst bald auf den Grund gehen. Aha. Er
pupste. Muss das Chili von gestern Abend gewesen sein. Toll, alleine zu sein.
Einige
Hobbyastronomen hatten sich bei dem Sender gemeldet und behaupteten, sie hätten
etwas hinter dem Mond gesehen, das da nicht hingehörte. Aha. Jetzt wechselte
der Inhalt der Sendung wieder zu den Ufo-Spinnern – aber das mochte er
eigentlich, gab es doch immer was Neues, was diesen Idioten so einfiel.
Laut
Angaben der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA sei aber nichts Ungewöhnliches
oder Abweichendes von der Norm zu berichten gewesen.
Toll,
die waren garantiert nicht zu beneiden bei der ESA. Da ruft dann tatsächlich
ein Sprecher des Senders bei denen an, und fragt allen Ernstes, ob man ein
Raumschiff hinter dem Mond beobachtet hätte. Hehe, die sollten aus reinem Spaß
mal »Ja, klar. Aber das ist schon länger da. Ist ihnen das erst jetzt
aufgefallen?«, antworten. Die Gesichter sollte man mal sehen.
Er
nahm sein neues Handy aus der Hosentasche. Gestern hatte er auf dem Heimweg,
endlich nach langem Gesuche die Kontrastfunktion herausgefunden und alles
wieder in den Ursprungszustand gesetzt. Jetzt konnte er sich auch die
Mini-Videos ansehen, die er damit gedreht hatte. Da war seine Frau, wie sie in
der Küche Abendessen zubereitete. Da war ein Arbeitskollege, der gerade seinen
Kaffee verschüttet hatte. Da waren Sebastian und Julia, wie sie mit Mona
spielten und da war... »DAS« hatte er aber nicht absichtlich aufgenommen. Das
war an den Schranken. Konnte er eigentlich löschen, oder? Aber was passierte da
gerade? Da war ja ein Kind auf den Schienen. Und da saß ein Mann in seinem
Auto. Da kam der Zug, und das Kind war immer noch auf den Schienen, während die
Schranken unten waren. Dann stand das Kind direkt neben seiner Mutter. Wie ging
denn das???
Noch
mal von vorne.
Kind
auf Schienen, Zug, Kind neben Mutter. Zurück. Er schaute auf die Uhr. Start.
Kind auf Schienen. Sekunden laufen normal. Zug. Sekunden laufen immer noch
normal. Kind neben Mutter. Sekunden laufen immer noch normal weiter. Er ging in
die Menü-Funktion rein.
Ah,
das Handy hatte sogar eine Slow-Motion-Funktion. Er stellte sie ein. Also noch
mal. Start. Das Kind stand auf den Schienen, die Mutter unterhielt sich mit
einer anderen Mutter. Dann näherte sich der Zug, und die Mutter schien davon
nichts mitzubekommen. Aber was passierte jetzt? Die Tür des Autos öffnete sich,
und der Mann stieg aus. Jetzt konnte er den Zug schon wesentlich näher sehen.
Der Mann fing an, auf die Schienen zuzulaufen. Was machte er jetzt? Er bückte
sich unter den Schranken durch, nahm sich das Mädchen und setzte es neben der
Mutter ab. Dann rannte er wieder zu seinem Auto zurück. DAS konnte doch gar
nicht passiert sein!! DAS war unmöglich – unmenschlich! Er schaute sich die
Szene noch mal in Slow-Motion an.
Doch,
so war es! In diesem Moment lief auf dem Fernsehsender eine Telefonnummer mit
dem Untertitel »An wen sie sich wenden können, wenn sie
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