Schmetterlingsgeschichten - Chronik I - Genug geschlafen (German Edition)
raus hier. Scheiß auf die Sonnenbrille. Jens rannte aus dem Zimmer raus
und bog schnell um die Ecke. Dabei lief er fast eine Putzfrau um.
»Tschuldigung«,
brachte er kurz raus und versuchte, dass sie ihm nicht in die Augen schauen
konnte. Der Fahrstuhl war zum Glück auf dieser Etage, und die Türe stand offen.
Schnell ging er rein und drückte den Knopf nach unten. Als er unten angekommen
war, ging er sofort zur Rezeption. Er nahm sich ein Zimmer und wunderte sich
ein wenig, dass der Mann hinter dem Tresen keine Fragen stellte. Die Sache ging
ganz unkompliziert von sich.
Auf
einmal hörte er Kinderstimmen.
»Schaut
mal, Kinder! Das ist doch euer Lehrer«, freute sich eine Frauenstimme. Er
zuckte zusammen. Er glaubte, sie wiedererkannt zu haben. Jens versuchte, sie zu
ignorieren, als hätte er sie nicht gehört. »Hallo, Herr Taime«, sagte die
Frauenstimme jetzt direkt hinter ihm. Er drehte sich um.
»Hallo,
Frau Feuerstiel.« Er konnte sofort erkennen, dass Frau Feuerstiel sichtlich
erschrocken war. Er hatte eine Fahne und musste schrecklich aussehen.
»Ich
brauch hier dringend ein Zimmer… Ich hatte ein kleines Missgeschick… Neue
Sachen und so… Komplizierte Geschichte«, stammelte er nur so raus. Ihm fiel
keine bessere Erklärung ein. Die Familie machte den Eindruck, als wären sie
gerade aus dem Restaurant gekommen. Schnell schob Frau Feuerstiel Julia an dem
Lehrer vorbei und sagte auch an die anderen gerichtet: »Kommt, wir gehen erst mal
auf unser Zimmer. Herr Taime ist jetzt hier wichtig beschäftigt.« Mama
Feuerstiel trieb die Kinder an und warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. Dann
sagte sie sich aber, dass sie ja auch mal jung und er schließlich der Lehrer
ihres Sohnes war. Sie richtete sich noch mal an ihn.
»Wenn
es ihnen wieder besser geht, dann könnten wir heute Abend ja etwas gemeinsam
machen? Ja?« »Mmh, ja gerne. Hier ist meine Zimmernummer«, sagte er völlig
überrumpelt und kritzelte eine Nummer auf einen Zettel von der Rezeption.
»Na
dann! Gute Besserung«, sagte sie und ging.
Vater
Feuerstiel sagte gar nichts, sondern grinste ihn nur verschmitzt an… und ging
auch.
Die
Einzigen, die stehen blieben, waren Sebastian und Garth.
Sie
schauten mit offenem Mund in seine blauen Augen.
******
35.
» D ass ihr jungen Dinger aber auch
immer so hektisch sein müsst! Keine Ruhe habt ihr… als wenn euch das Leben
weglaufen würde. Bist wahrscheinlich auch nur ein ganz normaler
Erden-Schmetterling und verstehst wahrscheinlich kein Wort von dem, was ich zu
dir sage. Aber da kannst du ja nichts für. Wir haben alle unsere Macken«, meckerte
Wansul, der nur durch den Moment überrumpelt war.
Jeder
Schmetterling hatte seine Grenze. Sonjas war hier ganz offensichtlich erreicht.
»Hör
mal zu, Opa!! Wenn du, aus was auch immer für senilen Gründen, spontan und
völlig unkoordiniert in meiner Flugbahn aufkreuzt, dann bin ich ja wohl die Letzte,
die dafür eine Rechtfertigung braucht. Anscheinend sollte man wirklich ein
Flugverbot für Schmetterlinge über 300 Jahren einrichten!! Du solltest `ne
Glocke um den Hals tragen, damit man dich wenigstens hört, bevor du kommst«,
platzte es aus Sonja raus, ihre Umgebung ganz vergessend.
Lukas,
Judith und Oskar schwebten gerade hinter Sebastian und Garth, als diese mit
offenen Mündern in die Augen von Herrn Taime schauten. Und die drei waren
ebenso überrascht wie gefesselt.
Der
Krach aus der Ecke, in der die Pflanzen standen, holte sie abrupt aus ihrer
Trance. Die drei schauten sich ungläubig an. Da drüben zankten sich ein alter
Schmetterling und eine Schmetterlingsfrau. Die beiden Menschen und den Bander
sich alleine überlassend, flogen sie zu dem streitenden Pärchen rüber. Als sie
sich den beiden näherten, konnten sie die ersten Worte verstehen.
»Ich
bin schon durch die Welt und über die Erde geflogen, da warst du noch eine
schlafende Raupe und hast von Milch und Honig geträumt. Komm du mir nicht mit
deinem modernen Schnickschnack«, schrillte der alte Schmetterling.
»Ich
hab hier wichtigere Dinge zu erledigen, als mich von einem durchgedrehten alten
Knacker beleidigen zu lassen. Flieg woanders hin, wo du niemanden belästigst,
und verbringe deine letzten Tage in Ruhe und Frieden. Aber lass mich in Ruhe«,
höhnte Sonja jetzt schon sarkastisch.
»Meine
letzten Tage?!!! Du… du… du…«, stammelte Wansul. Ihm fehlten die Worte. So
unverschämt und beleidigend war er das
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