Schmetterlingsgeschichten - Chronik II - Rock 'n' Roll (German Edition)
näherte. Beide waren unten an das Ufer gegangen. Sie
waren alleine. Als der Wikinger ihnen das Angebot unterbreitete, ahnte Sir
Virgil schon, wie die Antwort des Anführers der Angelsachsen ausfallen würde.
Byrhtnoth
hatte sein ganzes Vermögen für die Kämpfer ausgegeben. Und dann sprach es der
Wikinger aus: Tribut! Sie würden die Gegend wieder verlassen, wenn die Angelsachsen
dem Angebot zustimmen würden. Ansonsten würden sie sich nehmen, was sie
wollten. Es bedeutete den Tod der Männer. Beide dachten an die Frauen und die
Kinder. Oft genug hatten die Wikinger die Frauen vergewaltigt und die Kinder getötet.
Dabei hatte sich nicht nur ein Mann an einer Frau vergangen, sondern sie waren
im Rudel über sie hergefallen, bis sie sich kaum noch bewegen konnte.
Anschließend hatte sie den Freitod gewählt. Auch an kleinen Mädchen hatten sie
sich vergangen.
Der
Wikinger hatte bei ihrem Anblick ein Funkeln in den Augen, das beide Männer
kannten: er log.
Bei
dem Selbstbewusstsein, das ihn zu erfüllen schien, als er den Nebel verlassen
hatte und die Truppe der Angelsachsen erblickte, war ihm klar geworden, dass
sie um das Vielfache überlegen waren. Sie würden zweifelsohne hier als Gewinner
vom Feld gehen. Byrhtnoth erkannte, dass er so oder so sterben würde. Also
würden sie bis zum letzten Mann kämpfen und mit Ehre das Feld verlassen.
Sie
schickten den Wikinger wieder fort.
Byrhtnoth
starrte auf das Wasser. Sir Virgil drehte sich um und sagte leise zu seinem
Schmetterling: »Flieg zu Bromsloth und seiner Familie. Sag ihnen, dass die Wikinger
bereits gewonnen haben. Und dass sie sofort zur Flucht aufbrechen müssen. Auf
ihrem Weg sollen sie jedermann warnen, dem sie begegnen. Ich weiß, dass du dich
mit Edgar, seinem jüngsten, unterhältst. Sag es ihm! Und beeil dich!«
Sein
Schmetterling schaute ihn an. Woher wusste er das schon wieder? Dann löste er
sich auf und war verschwunden. Byrhtnoth stand immer noch am Wasser und schaute
dem Wikinger auf seinem Boot hinterher.
»Wenn
du der Meinung gewesen wärst, er hätte die Wahrheit gesagt, dann wärst du in
meine Worte eingeschritten, oder?«, fragte er Virgil, der wieder zu ihm herangetreten
war. Sie kannten sich schon lange. Er wusste, Virgil war nur ein Söldner. Aber
er war auch in den Jahren ein Freund geworden, den eine Weisheit umgab, wie er
sie bei keinem anderen Menschen vorher gesehen hatte.
Byrhtnoth
blickte weiter auf den Fluss hinaus.
»Ich
habe dir Gold für deine Dienste gegeben«, sagte er zu Virgil.
»Du
hast keine Besitztümer, noch prahlst du mit deinem Reichtum«, sagte er weiter.
»Ich
weiß, was du mit deinem Gold machst«, sagte er, drehte sich um und schaute
Virgil tief in die Augen.
»Ich
kenne niemanden, der so selbstlos ist. Du hilfst den Schwachen. Wer bist du
wirklich?«, fragte er ihn mit trauriger Stimme.
Virgil
schwieg.
»Dies
ist mein Kampf und derer, die hier leben. Du hast mehr für die Menschen in dieser
Gegend getan als irgendein anderer. Und du bist nicht von hier. Lüg mich nicht
an!«, sagte Byrhtnoth und wartete auf eine Antwort.
Aber
Virgil schwieg weiter.
»Wer
bist du wirklich?«, fragte er Virgil mit Beharrlichkeit in seiner Stimme.
Byrhtnoth packte ihn am Arm und schaute dabei zu Boden.
»Bist
du ein Magier? Wie Merlin?«, dabei zitterte er hoffnungsvoll. Virgil musste
laut schlucken.
»Ich
habe dich mehr als einmal mit einem Schmetterling sprechen sehen. Und ich habe
gute Ohren. Bessere, als du dir vorstellst. Ich habe dich auch vorhin gehört.
Mein Freund!«, sagte er mit dem Blick weiter zum Boden gerichtet.
»Verzeih
mir, aber ich habe dich nicht absichtlich belauscht. Was du da zu deinem Schmetterling
gesagt hast, hätten nicht alle der Männer von da drüben gesagt, wenn sie
gekonnt hätten. Und ich habe noch etwas gesehen. Du kannst Dinge bewegen, alleine
nur wenn du mit dem Finger draufzeigst. Verzeih mir!«, hauchte er schluchzend und
legte eine kleine Pause ein.
Byrhtnoth
war kein guter Freund. Er hatte Sir Virgil of Camboricun nachstellen lassen. Er
hatte Klarheit über den Mann haben wollen, dem er bereit war, so zu vertrauen. Virgil
konnte des Königs Gesicht nicht sehen, aber die Tränen, die auf den Boden fielen.
»Kannst
du für unsere Frauen und Kinder sorgen?«, fragte Byrhtnoth ihn leise. Es war
mehr ein innerer Monolog, den er mit sich selber führte. Dann ging er auf die
Knie. Der nahe Tod stand in Form der Wikinger nicht
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