Schmetterlingsgeschichten - Chronik III - One (German Edition)
sie
auch anderes machen sollen. Diese Quellen standen ihnen ja bis heute nicht zur
Verfügung - also hatten sie doch alles richtig gemacht. Irgendwie versuchte der
Professor, sein Gewissen zu beruhigen. Sein Zeitgefühl war mittlerweile vollständig
abhanden gekommen, so dass er nicht sagen konnte, wie lange er hier unten in
der Bibliothek schon ausharrte. Er wollte nur noch das Ende der Geschichte
lesen und sich dann wieder auf die Suche nach den Hinweisen machen. Das ganze
Buch konnte er schließlich noch lesen, wenn die Erde endlich von der Union
befreit war. Also übersprang er ein paar Seiten von Johanna und Virgil und kam
in diesem Kapitel zu den letzten Seiten.
…»Ganz
ruhig. Ganz ruhig. Dir wird nichts geschehen. Die Flammen werden dir nichts
anhaben«, flüsterte eine Stimme in Jeannes Kopf.
Sie
war voller Vertrauen in Jacques und seine beiden Begleiter, Xamorphus und
Claytonian, die aus dem Nichts gekommen waren.
Allerdings
hatte die Tatsache, dass sie gerade auf einem Scheiterhaufen stand und die
Männer gleich das Feuer entfachen würden, keinen ruhigen Aspekt.
»Wir dürfen uns nicht verraten«, hatte ihr Liebster, Jacques, ihr gesagt. Er
war die ganze Zeit bei ihr gewesen.
»Verbrennt die Hure!«, »Lasst die Ketzerin brennen«, brüllten ein paar
Menschen, die sich um den Scheiterhaufen begeben hatten. Doch in Gedanken war
fast ganz Orleans bei ihr. Sie hatte ein Wunder vollbracht. Sie hatte sich um
sie gesorgt und ihre Männer in den Kampf geführt. Sie war zwar immer in
Begleitung von Männern gewesen und hatte sich selber wie ein Mann gekleidet,
doch war es diese Frau gewesen, die einen großen Teil zur Erhaltung der Stadt
beigetragen hatte. Sie stand sogar mit der Siegesfahne in der Hand neben dem
Altar in der Kathedrale von Reims, als Karl VII. zum König gekrönt wurde. Jeder
wusste, was sie geleistet hatte. Sie hatte sogar Paris mitbefreit. Aber
Missgunst war unter den Ratgebern des Königs verstreut. Was hatte sie ihnen
denn getan?
Sie
hatte doch für ihren König gekämpft, für die Menschen ihrer Heimat. So, wie es
Gott ihr aufgetragen hatte. Als Dank war sie diskreditiert worden. Sie hatte
doch nur als Frau dasselbe getan, wie ein Mann das gemacht hätte. Am Ende war
sie dann vor der Inquisition gelandet. Diese Männer hatten sie feige der Hexerei
bezichtigt, weil es kein logisches Argument gab, das sie aus dem Kreis des
Königs entfernte. Also griffen sie zu einer der abscheulichsten Lügen, die es
derzeit gab. Sie beschuldigten sie der Zauberei - und noch vielen anderen
Dingen. Ohne Anwalt an ihrer Seite musste sie sich dann einem Bischof stellen.
Ihre Niederlage war damit vorprogrammiert. Anfänglich hatte sie sich noch
vehement gegen die Anschuldigungen gewehrt. Aber als Jacques nachts in ihre
Zelle geschlichen kam - sie wusste bis heute nicht, wie er das geschafft hatte
- da hatte er sie umgestimmt. Er hatte ihr alles von sich und den Rittern, den
wahren Rittern des Rosenordens erzählt. Sie hatte ihm die ganze Nacht über
zugehört und dann ihr Einverständnis gegeben. Wie klein sie sich gefühlt hatte.
Ihre Taten wirkten im Schatten von Jacques’ Geschichte so unbedeutend. Ja, Gott
hatte sie das alles machen lassen. Aber Gott hatte ihr auch Jacques über den
Weg geführt. Und war Bescheidenheit nicht eine gute Tugend?
Also
konnte sie am nächsten Tag auch ein Geständnis ablegen, so lächerlich ein
Geständnis der Hexerei auch in Gegenwart eines Mannes wirkte, der mit einem
Raumschiff durch das Weltall flog.
Vielleicht
waren ja hier bereits schon mehrere Männer anwesend, die dem Rosenorden
angehörten. Sie mussten sich ja geradezu über das Gerichtsverfahren
kaputtlachen. Ja, sie konnte sich schuldig bekennen, wenn sie dadurch für immer
mit Jacques zusammen war. Das einzige Problem war, dass sich ihre Widersacher
nicht ganz so damit einverstanden gaben, dass sie mit einem Schuldgeständnis
der Hinrichtung entkam. Anscheinend wollten sie sie lieber tot als im Gefängnis
sehen. Jetzt konnte sie die Sache so leicht betrachten, da sie wusste, dass Jacques,
Xamorphus und Claytonian anwesend waren.
Nicht
lange hatte es gedauert und sie stand schon wieder vor einem fingierten
Gericht, das sie als »unbelehrbar« einstufte und sie zum Tod durch Verbrennung
verurteilte.
Als die Männer nun die feurige Fackel in das Gestrüpp steckten, das unter ihr
ausgebreitet worden war, spürte sie schon die Hitze. »Gaaaaaanz ruhig,
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