Schmetterlingsgeschichten - Chronik III - One (German Edition)
Schon damals, als sie sich zur Wahl gestellt hatte, waren ihr
Sorgen wegen ihrer Figur gekommen. Wenn man Bundeskanzler wurde, war man
andauernd in den Medien… und das wussten auch die Wähler. Und wer würde schon
einen »Gesichtselfmeter« als Aushängeschild von fast 80 Millionen Einwohnern
haben wollen?
Aber
die Wähler hatten sie akzeptiert.
Erschrocken
schüttelte sie den Kopf. »Was für ein Vokabular hab ich denn gerade benutzt?«
»Dem Sack, der die Brötchen vorm Amt immer verkauft, werde ich beim nächsten
Mal einen husten. Das sag ich euch«, hörte die Kanzlerin einen ihrer
Sicherheitsleute sagen.
»Ganz geht alles wohl auch nicht an mir vorbei«, seufzte sie und griff zu der
Donutschachtel. Ein Glück, dass hier unten auch der Anlieferbereich war.
Als
sich die Sicherheitstüren geschlossen hatten, die vor einem Wassereinbruch der
Spree schützen sollten, hatten sich genau zwei Lieferfahrzeuge hier unten
befunden. Die Fahrer waren wohl zu ihrem Glück gerade außerhalb gewesen. Das
Tunnelsystem, das unter Berlin lag, verband den Reichstag mit dem
Marie-Elisabeth-Lüders-Haus, dem Jakob-Kaiser-Haus und dem Paul-Löbe-Haus.
Alles
waren wichtige Orte der Demokratie, hier war der Puls, das Herz der Bundesrepublik…
und sie war in den Adern gefangen.
Wie
bei einer Arterienverstopfung. Was zwangsläufig den Tod eines Patienten
bedeutete, wenn kein Arzt was unternahm.
Hier
unten verkehrten nämlich die Abgeordneten, um schneller und einfacher zu den
Ausschusssitzungen und dem Plenarsaal zu kommen.
Und
die Lieferanten. Und wenn hier unten nichts mehr angeliefert wurde, dann wurde
oben auch nichts mehr verbraucht, was hieß, dass die Demokratie oben zum
Stillstand geraten war.
»Ääähm, Frau Kanzlerin?«, sagte auf einmal einer der Bodyguards. Wieder
erschrak sie.
Sie
hasste es, wenn sie so abrupt aus den Gedanken gerissen wurde.
»Ich
glaube, sie sollten sich mal eben hier nach hinten begeben«, sagte der starke
Mann.
Erst
jetzt hörte sie den Krach. Sollten sie etwa gerettet werden? Vielleicht hatte
es ja ihr Mann geschafft, etwas zu organisieren, damit sie hier heimlich
rauskamen?
Sie
war sich nicht sicher, ob es ihm auch wirklich gut ging. So ganz ohne sie. Sie
schüttelte den Kopf. Die anderen hatten sich schon um ihn gekümmert, das war so
sicher wie das Amen in der Kirche.
Aber
würden Retter nicht versuchen, eine der Sicherheitsschleusen zu öffnen?
Während
sie aufstand und sich hinter den grünen Lieferwagen stellte, zogen die Männer
ihre Waffen.
Der
Asphalt drei Meter vor ihnen bekam Risse.
Wie
ein Spinnennetz, das allerdings von der Mitte aus gleichmäßig in alle
Richtungen nach außen größer wurde, bewegte sich die Stelle.
Noch
während alles aufplatzte, bäumte sich ein kleiner Hügel auf. Wie bei einem
Maulwurf, der einen weiteren Ausgang für sein Tunnelsystem benötigte. Doch dann
wurde die Erde mit einem Mal kräftig zur Seite gefegt, als ein großes Tor
aufklappte.
»Scheiße Uwe, das war ein geiler Krach! Und nur für so ein paar dämliche Symbole,
die denen da unten Mut geben sollen«, plapperte eine Stimme ungezwungen.
»Was, wenn die scheiß Troopers auch hier sind? Schon mal darüber nachgedacht?«,
fluchte die Stimme weiter.
Aber
allen Anwesenden fiel sofort dieser Unterton auf, der eher amüsiert klang… als
wirklich sauer darüber. Ein Schmetterling mit einem Tattoo kam rückwärts
hochgeflogen. Die vier eingesperrten Personen konnten noch nicht erkennen, dass
dort eine Treppe war.
Aber
der Kanzlerin dämmerte es sofort, was hier gerade passieren könnte.
Sollten
es etwa die Ritter sein? Haben sie überlebt?
Sie
hatte natürlich sofort, als die Invasion begann, an sie gedacht.
Doch wusste sie durch Sarah O`Boile, dass es ja nur wenige waren. Also hatte
sie diesen faszinierenden Gedanken über die Rettung von diesen wahrgewordenen
Märchenfiguren verworfen.
Schade,
dass beides zusammenfiel. Invasion und Erwachen der Ritter.
Drei
Männer in stolzen Uniformen mit einer silber-blauen Rose folgten dem
Schmetterling. Sie sahen wie eine Elite-Spezialtruppe aus.
Wunderbar!!
Sie wurden von einer Spezialeinheit gerettet!!
Der
erste der Männer trug allerdings unpassend eine Machete, was eher zu einem
Rebellen im Dschungel von Thailand oder Vietnam passte.
»Unsere Leute haben doch gesagt, dass hier niemand ist. Freu dich doch, dass
der Eingang so nahe an dem Fluss gebaut
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