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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
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flach an den Oberschenkel und versuche es mit der Hand zu verbergen. Er hat es gehört. Er weiß Bescheid.
    Hastig schaue ich mich nach rechts und links um und suche nach einem Fluchtweg – alles ist heiß, hektisch, elektrisiert. Ich renne auf die offene Tür in der Mitte des Flurs zu, sie führt ins Zentrum, zum pochenden Herz des Clubs. Die Bühne. Glatzköpfige Männer in Business-Anzügen.
    Aber bevor mein Körper sich vorwärtszwingen kann – dorthin, wo Menschen sind, die alles sehen, die erkennen, wenn etwas nicht stimmt –, durchzuckt mich der Drang , die dumme, allmächtige, das Hirn schüttelnde Macht .
    Und ich muss mich verbeugen, die Zehen berühren, mich wieder aufrichten; Verbeugung-Zehenberührung-Aufrichten; Verbeugung-Zehenberührung-Aufrichten, und als ich gerade damit fertig bin – mich gerade aufrichten und wegrennen und fliehen will –, legen sich Arme um meine Taille und drücken mir die Luft ab. Eine Hand legt sich auf mein Gesicht, auf Nase, Mund und die Augen.
    «Das war ja ein niedlicher Trick – dein kleines Telefon-Fangenspiel», flüstert er in mein Ohr. Seine Stimme klingt sandig, wie winzige, salzige Glasstückchen. «Denkst du, dass das eine Art beschissener Witz ist? Okay, ich spiele mit. Hab dich! Du bist dran.»
    Mein Kopf fühlt sich an, als ob er von meinen Schultern rutscht, schwindelig. Das Herz setzt immer wieder einen Schlag aus und pocht dann weiter. Es übt Sterben.
    Ich ringe nach Luft, ich brauche mehr davon, er ist so stark, so stark…
    Dunkelheit. Wolken. Osterkörbchen. Mom hat immer wochenlang dazu gebraucht, unsere Osterkörbchen herzurichten. Mit hübschen Bändchen geschmückt und gefüllt mit Schokolade und Socken, warme Socken – Socken habe ich immer gemocht – und heimliche Blicke, und sie hat sich am Ostermorgen immer auf mein Bett gesetzt mit dem Weidenkörbchen in glänzendem Zellophan in den Händen, und sie strahlte, so stolz, und …
    «Hast wohl nicht gedacht, dass ich dich finde, kleines Mädchen? Dachtest, ich würde dich nicht erkennen? Dachtest, ich würde mich an diese Kette nicht erinnern? Ich habe sie ihr gekauft . Weißt du nicht, dass ich jede deiner Bewegungen beobachtet habe, seit ich dich mit dieser Kette gesehen habe?» Die Schärfe in seiner Stimme bringt mich wieder zu Bewusstsein. «Ich habe ihr alles gegeben, alles, was sie sich je hätte wünschen können. Und sie hat mir nichts gegeben. Scheiße. Was glaubst du, wie sich das angefühlt hat?» Seine Finger drücken auf mein Gesicht, zerren an der Haut, grob. «Hä? Was glaubst du, wie sich das anfühlt? Sie hat mir gehört …» Er zerrt mir die Perücke vom Kopf, und mit einer einzigen heftigen Bewegung reißt er die Silberkette mit dem Pferdchen daran ab.
    Ich höre, wie seine Hand gegen die Klinke einer Tür schlägt – ich versuche, mich loszutreten. Ich muss tippen , muss Banane sagen. O Gott, bitte. Bitte. Bitte. Ich trete ihm gegen die Beine, versuche, einen Arm aus seinem Griff zu winden, schreie in seine Hand, beiße in seine Handfläche.
    «Verdammt noch mal», sagt er und lässt mich kurz los. Dann packt er mich im Nacken. «Versuch diese Scheiße nicht noch mal bei mir, du bescheuerte Hure.» Schmerz durchzuckt mich, Blut tritt aus meiner Lippe und tropft in meinen Mund. Ich würge, die Tür öffnet sich, Luft umhüllt meine nackten Schultern, meinen Nacken, die Beine. Ich weiß nicht, ob die Nässe auf meinem Gesicht Tränenflüssigkeit oder Blut ist. Salz dringt durch meine Lippen, mehr Blut. Es zuckt durch meinen Kopf: Tip tip tip, Banane tip tip tip, Banane tip tip tip, Banane.
    Ich möchte wissen, ob Mom es wohl spürt, wenn ich sterbe, und ob Oren dort auf mich wartet. Ob er einen Zettel mit meinem Namen darauf in den Händen hält, wie auf dem Flughafen. Oder ob ich ganz allein sein werde und alles in Stille gehüllt ist.
    Ein schwarzer Lieferwagen fährt in die Gasse hinter dem Club. Die Tür öffnet sich. Gordon hebt mich hoch und wirft mich hinein. Mein Kopf prallt gegen die gegenüberliegende Tür – alles dreht sich und wird schließlich zu verschwommenem Schwarz.
    ***
    Ich öffne die Augen, ich muss ohnmächtig gewesen sein. Wir fahren, rasen dröhnend. Eine schwarze Plastikplane trennt den hinteren Teil des Wagens vom vorderen. Ich kann den Fahrer nicht sehen und er mich nicht. Gordon sitzt neben mir und beobachtet mich.
    Ein Bild blitzt auf: Flynt, wie er mir beim Aufwachen zusieht, seine Hand tanzt über den Skizzenblock. Seine Finger

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