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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
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male Formen, Figuren, Muster dreifach, sechsfach und neunfach. Perfekte Kreise. Ich male, und mein Herzschlag verlangsamt sich. Ich lasse meine Nase an sein warmes Brustbein sinken. Ich male drei gerade, gleichmäßige Linien hinunter zu seinem Nabel – da sehe ich etwas, was mein Herz stehenbleiben lässt.
    Ich setze mich auf und rücke von ihm ab.
    «Was ist los?», sagt Flynt. Seine Stimme ist rau.
    Da ist ein Tattoo direkt über dem Bündchen seiner zerrissenen Boxershorts mit dem Elchmuster.
    «Lo?» Röte bedeckt seine Wangen, seine Augen sind aufgerissen.
    Ein Tattoo, das einen leuchtend blauen Vogel zeigt.
    Alles verlangsamt sich, wird laut und wackelig, fällt auseinander. «Du bist es», flüstere ich. Ich kann den Blick nicht von dem Tattoo wenden, ich bin so fassungslos, dass ich kaum atmen kann.
    Bird. Vogel.
    «Was?», fragt Flynt. Er hockt jetzt auf dem Sofa und stützt sich mit den Händen auf dem verschlissenen Kissen zwischen uns ab. Dabei schüttelt er wild den Kopf. «Was …? Lo – komm zurück zu mir. Sprich mit mir.» Er versucht, mich zu packen und an sich zu ziehen, aber meine Ohren sind voller Feuer, und meine Beine sind voller Feuer, und die Zahl vier-dreißig-sieben drängt sich in meinen Kopf, immer und immer wieder, und dann nur die vier , und vier ist eine schreckliche Zahl, und sie bedeutet Geh. Raus hier. Jetzt . Sapphire ruft nach mir aus einem anderen Universum, sie warnt mich.
    Ich stürze von ihm weg, er hockt auf dem Sofa und hat die Arme nach mir ausgestreckt – Lügner Lügner LÜGNER  – die Worte hämmern durch mich hindurch, hart, scharf. Ich nehme meine immer noch nassen Klamotten, werfe sie mir über, stolpere. Ich versuche, das Schluchzen aus meinem Brustkorb zu verdrängen.
    Vier vier vier: Die Stufen hoch, die Zahl ist bedrohlich und schwer. Ich höre ihn, er ruft meinen Namen, aber ich renne: «Lo! Lo! Bitte komm wieder zurück.»
    Tip tip tip, Banane. Mein ganzer Körper brennt, ich keuche, als ich endlich auf die Straße trete, sie ist feucht von Tau im Grau vor der Morgendämmerung.
    Vögel zwitschern und kündigen den Sonnenaufgang an.
    Flynt ist Bird.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 23
    Eine Woche später. Sieben Tage. Eine grobe, schreckliche Zahl. Eine Zahl, die brodelt und stöhnt. Ich habe mein Bett kaum verlassen, ich habe fünf Tage Unterricht verpasst. Jetzt weiß ich nicht, wie ich jemals dorthin zurückgehen soll. Dad ist auf Dienstreise. Ich habe Mom gesagt, dass ich krank bin. Das ist die Wahrheit. Ich bin krank. Und hungrig.
    Im Lebensmittelladen: Ich schaue mich in Gang neun um. Haushaltswaren. Reihen mit Klopapier und Haushaltstüchern und Reinigungsmitteln und Topfreinigern. Farben, die nicht zusammenpassen.
    Ein Korb voller pinkfarbener und gelber Schwämme. Ein kleines neonfarbenes Schild: Fünfzig Prozent reduziert!!! Das Kribbeln beginnt in meinen Füßen und schießt wie ein Stromschlag durch mich hindurch. Meine Augen schwimmen in meinem Schädel. Eine alte Frau am anderen Ende des Ganges legt eine 24er-Packung Flauschtraum -Klopapier in ihren Einkaufswagen. Die Stimme in meinem Hirn schaltet sich ein: JETZT .
    Ich greife in den Korb mit den Sonderangeboten. Nehme drei Schwämme heraus. Stopfe sie in meine Taschen. Die Enge in meiner Brust löst sich. Dann bezahle ich für die anderen Waren. Dad ist bei uns eigentlich der Lebensmitteleinkäufer, aber er ist auf Dienstreise in San Francisco. Ohne ihn ist nichts mehr zu essen im Haus.
    Ein Mehrkornbrot. No-Name-Apfelsaft. Ein Glas Nelly’s-Nutty-Erdnussbutter. Gummischlangen. Das sollte für die nächsten Tage reichen.
    Es ist eine Woche her, seit ich das Tattoo entdeckt habe. Seit ich herausgefunden habe, das Flynt Bird ist. Jedes Mal, wenn ich in dieser Woche versucht habe, mein Zimmer zu verlassen, hat mich die Erkenntnis getroffen, dass alles an der falschen Stelle steht, und dann war ich gezwungen, mein Zimmer neu zu ordnen. Die Stunden schmolzen dahin, bis nichts mehr von ihnen übrig blieb, nur noch Dunkelheit.

    Heute: Nur die hölzernen Puppenschaukelstühle, die ich einmal verrücken musste, aus der südwestlichen Ecke meines Zimmers in die nordöstliche – das dauerte nicht allzu lange.
    Dann wurde das Grummeln in meinem Bauch immer schlimmer, und ich wusste: Wenn ich jemals wieder essen will, gibt es keinen Ausweg. Ich muss einkaufen gehen.
    Draußen, auf dem Rückweg, sehe ich, dass die Espe, die Kastanie und der Trompetenbaum schon anfangen zu blühen. Das Pflaster

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