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Schmetterlingsschatten

Schmetterlingsschatten

Titel: Schmetterlingsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Bicker
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Unterlippe. Beinahe hätte sie erzählt, dass sie sicher aufgenommen war, weil Tristan sie geküsst hatte. Aber das war natürlich albern, ganz zu schweigen davon, dass es Malin überhaupt nichts anging. »Ich bin doch Tristans Freundin«, sagte sie stattdessen.
    Abermals zuckte Malin mit den Schultern. »Julian sagt, dass für dich keine anderen Regeln gelten sollten als für alle anderen auch. Wenn Tristan dich so unbedingt dabeihaben will, muss er es abkönnen, dass du die Prüfung bestehst.«
    Elena schwieg. Sie fragte sich, ob Malin gemerkt hatte, dass sie mehr verriet, als sie gesagt hatte. Offensichtlich hatte Tristan sich dagegen ausgesprochen, dass sie die Prüfung ablegen musste, und war von seinen eigenen Freunden zurechtgewiesen worden. Aus irgendeinem Grund machte das Elena nur wütender. Traute Tristan ihr etwa nicht zu, hier herunterzuspringen? Wollte er sie beschützen? Dem würde sie schon zeigen, dass in ihr genauso viel Mut steckte wie in den anderen Cliquenmitgliedern auch.
    Die Treppe, die sie hinaufstiegen, bestand aus einem ziemlich rostigen Metallgitter. Durch die Zwischenräume konnte Elena den Boden und die Wasseroberfläche sehen, die sich mit jeder Stufe ein bisschen weiter entfernten. Je höher sie kamen, desto windiger wurde es auch. Bald fröstelte sie trotz der Sonnenhitze und auf ihren Armen und Beinen bildete sich eine Gänsehaut.
    Endlich hatten sie das obere Ende der Treppe erreicht und Malin trat vorsichtig vor ihr auf den langen Arm des Turmes hinaus, der über den See ragte. Es gab nur einen schmalen Gittersteg ohne Geländer und darunter viele Meter Luft bis zur Wasseroberfläche. Elenas Knie zitterten, als sie Malin folgte.
    Nur nicht nach unten sehen!,verbot sie sich selbst, aber natürlich schaute sie doch. Das Wasser schien schrecklich weit entfernt, viel mehr als die zehn Meter, die sie von unten geschätzt hatte. Hier oben war es ganz still, nur eine Biene summte träge irgendwo rechts von Elena. Sie wagte es nicht hinzusehen, aus Angst, das Gleichgewicht zu verlieren. Der Metallsteg knarzte leicht, wenn sie ihre Füße darauf setzte, aber ansonsten schien er stabil zu sein.
    Einige Meter vom Ende des Stegs entfernt blieb Malin stehen. »Hier, hier ist das Wasser tief genug und das Förderband ist nicht im Weg.« Ihre Stimme klang merkwürdig dünn. Elena trat neben sie und sah herunter. Nur Wasser, das friedlich im Sonnenlicht glitzerte. Zwei Enten drehten direkt unter ihr ihre Runden.
    »Soll ich zuerst springen?«, fragte Malin unvermittelt. Elena schüttelte den Kopf. Sie würde nichts zulassen, das so aussah, als könnte sie Angst haben.
    Trotzdem zitterte sie, wenn sie daran dachte, was ihr bevorstand. Für einen Moment schloss sie die Augen, atmete tief durch und sammelte Mut. Als ihr Herz sich schließlich ein bisschen beruhigt hatte und die Knie sich nicht mehr ganz so weich anfühlten, biss sie die Zähne zusammen und stieg vorsichtig auf die unterste Sprosse des Geländers.
    »Viel Glück«, murmelte Malin hinter ihr. »Versuch, möglichst gerade zu springen, sonst tut es ziemlich weh!«
    Vielen Dank auch für die Ermutigung,dachte Elena, aber sie ließ sich nicht irre machen. Sehr langsam und sorgfältig kletterte sie über das Geländer. Sie wollte es auf keinen Fall darauf ankommen lassen abzurutschen. Eigentlich war es ganz einfach, fast wie an einem Klettergerüst vom Spielplatz zu turnen. Nur, dass die selten zehn Meter hoch sind.
    Dann war sie auf der anderen Seite. Vorsichtig richtete sie sich auf. Mit den Händen umklammerte sie das Geländer hinter sich. Sie konnte den Wind spüren, wie er an ihren Haaren zerrte. Etwas rauschte in ihren Ohren, wahrscheinlich ihr eigenes Blut, aber ganz sicher war sich Elena nicht. Sie sah nicht hinunter, sondern richtete ihren Blick geradeaus, auf die Baumwipfel hinter dem See. Sie wiegten sich in einer leichten Brise.
    Wieder schloss Elena die Augen und stellte sich vor, dass es außer ihr, dem Wind und dem See überhaupt nichts gab. Sie war ganz alleine hier oben und nichts war wichtig. Nicht ihre Mutter und schon gar nicht Laura. Nicht Vivienne, nicht Timo, nicht einmal Afrika. Wichtig war nur, dass sie hier war und dass sie springen würde. Es gab überhaupt keine andere Möglichkeit, den Rückweg verbannte sie genauso aus ihrem Bewusstsein wie den Gedanken, dass das Ganze hier ziemlich hirnrissig war.
    Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie es schaffte, die Augen wieder zu öffnen. Ihr Herz raste immer noch wie

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