Schmetterlingsschatten
zeigen wir es!«, rief Malin den anderen zu, doch das wäre gar nicht nötig gewesen. Bis auf Daniel, der sich zurückhielt, schwammen schon alle, so schnell sie konnten, auf das Ufer zu. Selbst Elena, die gar nicht wusste, was sie machen sollte, wenn sie diesen Typen gegenüberstand, beeilte sich. Doch die anderen waren schließlich auch noch da. Gemeinsam waren sie allemal stärker als die fünf am Ufer.
Das schien denen auch aufzufallen. Kevin schubste noch rasch Daniels Rad in Richtung Wasser, dann wirbelten alle herum und stürmten zum Ausgang. Als die Clique das Ufer erreicht hatte, waren sie schon über das Tor geklettert und hatten sich auf ihre Roller geschwungen.
»Feiglinge, kommt gefälligst zurück!«, schrie Malin ihnen durch das Tor nach, doch Vanessa winkte nur grinsend vom Rücksitz eines der Roller. Dann verschwanden sie hinter der nächsten Wegbiegung.
»Mist!«, schimpfte Lukas, während er sein Rad wieder an Land zog. Elena half ihm, so gut es ging.
»Warum machen die so was? Was habt ihr ihnen getan?«, wollte sie wissen. Malin zuckte mit den Schultern.
»Die nerven einfach gerne. Wahrscheinlich neidisch. Blöde Idioten. Kümmere dich einfach nicht um die!«
Tristan grinste schief. »Na ja, vielleicht sind sie auch sauer darüber, dass wir sie von hier verscheucht haben. Früher sind die nämlich immer hier rumgehangen.«
Elena betrachtete nachdenklich die triefenden Fahrräder. Lukas, dessen Mountainbike noch ganz neu und sicher nicht billig gewesen war, sah so aus, als sei er den Tränen nahe. Daniel war ganz bleich vor Zorn.
»Warum zeigt ihr es ihnen nicht einfach einmal?«, fragte sie vorsichtig.
Malin schenkte ihr einen undurchsichtigen Blick. »Nachdem wir sie von hier vertrieben haben, haben sie uns klargemacht, dass wir aufpassen müssen. Wenn wir ihnen allzu viel Ärger machen, knöpfen die sich noch einen von uns alleine vor und schlagen ihn zusammen. Ist Patrick schon passiert.«
Elena sah zweifelnd zu Patrick hinüber, der so groß und kräftig aussah. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass sich jemand mit ihm anlegen würde, aber andererseits, ein paar von den anderen waren auch nicht ohne. Gerne hätte sie etwas erwidert, aber ihr fiel nicht ein, was sie sagen konnte.
»Idioten«, murmelte sie schließlich lahm.
Tristan trat neben sie und legte ihr den Arm um die Schultern. »Vergiss sie einfach. Lassen wir uns nicht den Tag verderben!«
Die anderen nickten zustimmend.
Es war schon lange dunkel, als sie den Baggersee wieder verließen. Sie waren noch einmal lange geschwommen und hatten danach ein Lagerfeuer am Ufer entzündet, Chips gegessen und Bier getrunken. Trotz des Zwischenfalls war es ein wunderbarer Nachmittag geworden. Die Clique schien Elena endlich akzeptiert zu haben, und als Tristan sie schließlich noch einmal vor allen anderen geküsst hatte, hatte es Elena überhaupt nichts mehr ausgemacht.
Inzwischen war ein traumhaft klarer Sternenhimmel heraufgezogen, aber die Luft war noch warm und roch nach Wald und Sommer. Erschöpft, aber glücklich lehnte Elena an Tristans Rücken, ließ sich den Fahrtwind um die Nase wehen und genoss die Wärme seines Körpers. Sie hatte keine Ahnung, wie spät es war. Wahrscheinlich würde ihre Mutter ausrasten, wenn sie nach Hause kam, aber heute war ihr das völlig egal. Heute war der Tag, an dem sie ihren ersten Kuss bekommen hatte und von einem zehn Meter hohen Turm gesprungen war, alles andere erschien dagegen nebensächlich.
Tristan fuhr extra langsam, denn auf dem Roller neben ihm saß Daniel und kurvte unsicher den Waldweg entlang. Julian, dem der Roller gehörte, rannte nebenher und feuerte den Jüngeren an, immer engere Kurven zu fahren.
»Ich werd noch umkippen«, beschwerte sich Daniel.
Elena wollte Julian gerade fragen, ob sie den Roller auch einmal fahren durfte, da vernahmen sie das Geräusch eines Motors, das rasch näher kam. Hastig hielt Daniel den Roller an und ließ Julian wieder vorne aufsitzen. Er selbst schwang sich hinter ihm auf den Sattel.
Elena spürte, wie Tristan sich aufrichtete. Sie beugte sich zur Seite und spähte an seiner Schulter vorbei den Waldweg entlang. Ein Auto kam um die Wegbiegung. Einen Moment lang fragte sie sich, wer hier mitten in der Nacht herumfuhr, da konnte sie auch schon die grün-silberne Lackierung des Wagens erkennen. Ihr Magen zog sich ruckartig zusammen. Die Polizei. Sie versuchte, sich hinter Tristans Rücken zu verstecken und so zu tun, als wäre sie nicht da.
Weitere Kostenlose Bücher