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Schmetterlingsscherben

Schmetterlingsscherben

Titel: Schmetterlingsscherben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Hazy
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nicht!»
    «Doch, tue ich, Ska!», fauchte er. «Ich weiß von diesem unverschämten Maskaron über deiner Haustür, Janus. Und die Schmetterlinge, auf der Kostümparty?! Und was ist mit Bodo, den du einfach so auf die Straße gesetzt hast?!»
    Ich starrte ihn völlig entgeistert an. Er konnte das unmöglich wissen. Nicht, wenn er es nicht wirklich selbst gehört oder gesehen hatte. Ich hatte niemandem davon erzählt. Ich hatte es nirgendwo aufgeschrieben.
    «Und das sagst du mir JETZT?!», schrie ich und umklammerte meine Knie, weil sie so furchtbar anfingen zu zittern. «Das erzählst du mir nach all diesen gottverfluchten, scheiß Jahren?! Hast du… HAST DU EINE AHNUNG, WAS DU MIR ANGETAN HAST, LENNARD?!»
    «Nein», sagte er ruhig. «Nein, das habe ich nicht. Also erzähl‘s mir.»
    «Ich war nicht… nicht nur wegen meiner Halluzinationen in der Klinik, wusstest du das?! Nein, verdammt, ich war wegen DIR da!», fauchte ich. «Weil ich völlig zusammengebrochen bin, nachdem wir weg waren! Ich hab kaum noch gegessen, ich hab mit niemandem mehr geredet und meine Mutter ist halb durchgedreht vor Sorge. Sie hatte so eine scheiß Angst, dass ich mir etwas antun könnte, dass sie irgendwann mit der Kliniksache ankam. Und ich bin hingegangen, weil mir sowieso alles egal war und ich wusste, dass es sie immerhin beruhigen würde! Du warst alles, in meinem Leben, Lennard, alles! Ich habe dich so geliebt und du hast alles zerstört!»
    Er starrte mich undurchdringlich an und machte eine Bewegung, als wollte er zu mir rüber kommen. Irgendetwas hielt ihn offenbar doch davon ab. «Ich hatte keine Ahnung, Ska», flüsterte er tonlos. «Es tut mir so leid. Ich dachte, du kommst damit klar. Du hattest noch deine Eltern und Dora und…»
    «Mein Vater war so damit beschäftigt, seine eigene Kindheit in seinen Büchern auszuleben, dass er vergessen hat, für seine Tochter da zu sein und meine Mutter hat vor unserem Umzug ihre ganze Zeit dafür verwendet, das Geld ins Haus zu bringen, das mein Vater mit seinem Traum von einer eigenen Buchhandlung wieder verprasste! Und Dora war nie… sie war nie du.» Meine Unterlippe bebte und ich versuchte, die Tränen zurückzuhalten, die in mir aufzusteigen drohten.
    «Ska…»
    «Wieso hast du nie was gesagt?», quietschte ich und jetzt liefen mir doch die Tränen über die Wangen. «Wieso hast du all die Jahre nie gesagt, dass du sie auch sehen kannst?!»
    «Weil ich es nicht konnte!», rief er verzweifelt. «Ich hab erst mit vierzehn angefangen, sie zu sehen.»
    «Weil es ansteckend ist», nickte ich. Der Gedanke war mir bereits mehrfach gekommen. Lennard lachte gequält. «Nein! Nein, nicht weil es ansteckend ist, sondern weil Paranormale sich in der Regel erst durch die Pubertät zu dem entwickeln, was sie sind!»
    Ich glotzte ihn fassungslos an. «Was bitte?»
    «Paranormale», wiederholte er und stand jetzt doch auf. Allerdings nicht, um zu mir herüber zu kommen, sondern im Raum umherzulaufen wie ein Bekloppter. «Es gibt viele von uns, Ska. Und sie alle sehen, was du siehst. Nur normale Menschen können das nicht.»
    «Das klingt total bescheuert», murmelte ich und fuhr mir mit den Handrücken über die nassen Augen. Mein Pa wäre begeistert gewesen davon. Als Idee für sein Buch. Aber nicht für die Realität. Das war einfach zu unlogisch.
    «Das ist es auch ein bisschen», grinste Lennard, als es an der Tür schellte und ich erneut zusammenfuhr. Gott, ich war heute aber auch wieder besonders schreckhaft.
    «Das ist nur die Pizza», beruhigte er mich und ging zur Tür. Kurz darauf kam er mit zwei herrlich duftenden Kartons zurück in die Stube. Seufzend ließ ich die Beine sinken und richtete mich etwas auf.
    «Meinst du, ich kann die Jungs endlich aus der Abstellkammer frei lassen, ohne, dass du einen Anfall kriegst?», fragte Lennard und beäugte mich skeptisch. «Mercutio ist ziemlich schnell beleidigt und Janus mault sowieso die ganze Zeit schon rum, weil er dich sehen will. Ich fürchte, er mag dich wirklich, dieser hässliche Neidkopf.» Er schnitt eine Grimasse und ich lachte leise unter Hicksen. «Ich mag ihn auch, obwohl er so geschwollen redet», seufzte ich. Lennard stellte die Pizza auf den Tisch vor mir ab und ging wieder in den Flur, ehe er zurückkam, mit dem Steinkopf in der Hand. Hinter ihm lugte Bodo der Clown um die Ecke und sah mich unsicher an.
    «Fräulein Louise!», rief der Maskaron, als er mich sah. «Wie ich sehe, sind Sie wohlauf!»
    «Danke, Janus»,

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