Schmetterlingsspiegel (Keshevra's Queendom) (German Edition)
mit Ethan am nächsten Tag, weshalb es sie auch völlig überraschte, als plötzlich ein violetter Schmetterling darüber flatterte. Wie ein Reißverschluss öffnete sich die spiegelnde Fläche, Sabrìanna hatte das Gefühl, ihr Magen komme ihr entgegen, als sie kopfüber hineinstürzte und fiel… und fiel… und fiel…
„Umpf. Autsch!“ entfuhr es ihr, als sie auf einer blühenden Wiese landete. Sie sah sich suchend um, doch von dem Drachen war weit und breit nichts zu entdecken. Also stand sie auf, klopfte sich den langen Rock ab und ging zögernd ein paar Schritte weiter, denn hinter ihr war kein Spiegel mehr, ringsum nur blühende Landschaft. Die Blumen waren recht klein, exotisch geformt und verströmten einen süßen, schweren Duft. Sie war sich sicher, dass es diese Sorte nicht wirklich in Irland gab. Auch der Himmel sah ungewohnt aus, von einem strahlenden Hellblau, die Sonne offen zu sehen, keine Wolken, hinter denen sie sich wie gewohnt verstecken könnte. „Wassss macht ssssie hier?“ zischte es plötzlich zu ihren Füßen. „Ssssie gehört nicht hierher, nein, nein, dasss tut sssie nicht!“ „Uh, hallo?“ entfuhr es Sabrìanna verunsichert, während sie ins Gras starrte, doch nichts entdecken konnte. „Wer… redet denn da?“ „Ssssieht unsss nicht. Dummesss Menschengezücht!“ war ihre einzige Antwort, und dann raschelte es, als würden kleine Füße weglaufen, und die Grashalme bewegten sich leicht, wie bei einem Windstoß. Sabrìanna ging in die Hocke und betrachtete die blühende Wiese näher, aber da war nichts Lebendiges zu sehen, nicht einmal Käfer oder Ameisen. Verwirrt stand sie wieder auf und rief: „Hallo?“ Das war wirklich ein merkwürdiger Traum. Ein wenig kam sie sich wie Alice im Wunderland vor und beschloss sogleich, hier auf keinen Fall etwas zu essen oder zu trinken. Ohnehin eine angemessene Vorsichtsmaßnahme, sie könnte ja auch im Reich der Feen gelandet sein. Denn hieß es da nicht, dass man sonst nicht mehr nach Hause konnte? Ob es hier wohl auch eine Grinsekatze gab? Katzen mochte sie gerne, das würde ihr gefallen, weshalb sie sich interessiert umschaute.
Doch was da auf sie zukam, war eindeutig größer als eine Katze. Es war ein Hirsch. Zumindest dachte sie das im ersten Augenblick. Doch dann wurde ihr bewusst, dass das Wesen mit dem Hirschleib einen männlichen – wenn auch sehr behaarten - Oberkörper und ein menschliches Gesicht hatte, das allerdings ein mächtiges Geweih trug. „Wer bist du, und wie bist du hier her gekommen?“ verlangte er mit sonorer Stimme zu wissen, und Sabrìanna erschrak bis ins tiefste Mark. „Ich… heiße Sabrìanna O’Leary und komme aus Dublin!“ erwiderte sie mit bemüht fester, sicherer Stimme und sah der seltsamen Kreatur in die Augen. Nur keine Angst zeigen, hallte es in ihrem Kopf wider, wie bei großen Hunden, man durfte ihnen auf keinen Fall zeigen, dass man Angst hatte! „Das mag sein. Aber Dublin ist nicht hier, und du bist es“, bekam sie kritisch zur Antwort. „Ich… also ich…“ Ja, es würde bescheuert klingen, aber so war es nun mal gewesen, also schluckte sie krampfhaft und sprach weiter: „Ich bin durch einen Spiegel gefallen!“ „Bei allen dunklen Schmetterlingen!“ fluchte das Wesen vor ihr – es musste ein Fluch sein, so wie er es aussprach, auch wenn die Redewendung in ihren Ohren sehr merkwürdig klang.“ „Ja! Genau! Da war ein Schmetterling, ein violetter Schmetterling, und dann bin ich gefallen und… ich weiß auch nicht, wie das passieren konnte!“ verteidigte sie sich, und ihr Gegenüber betrachtete sie noch einen Augenblick prüfend, bevor er mit einem Huf scharrte und das Geweih leicht vor ihr neigte. „Dann ist es wahrlich nicht deine Schuld, Sabrìanna von Dublin. Sei willkommen im Land hinter den Spiegeln. Anderswelt, Tír na n-Oc oder Avalon, wie immer du es nennen willst. Es gibt unzählige Namen dafür.“ „In Tir na… was?“ Das Land gab es nicht. Nicht wirklich. Außerdem gab es da keine Drachen. In ganz Irland gab es keine Drachen und keine Schlangen, zumindest hatte sie das immer gedacht - und das war doch alles gar nicht möglich! In Sabrìannas Kopf drehte sich alles, und sie hatte das dringende Bedürfnis, sich hin zu setzen, aber das wäre unhöflich, also hielt sie sich krampfhaft aufrecht.
„Ich bin Herne, der Wächter. Seit wir uns aus der Menschenwelt zurückgezogen haben, weil dort kein Platz mehr für uns und unseresgleichen war, leben wir
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