Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
Pech heimgesuchten allzu trüben Tagen. Kein Wunder, dass sogar das Bier irgendwie
anders, irgendwie bitterer schmeckte als sonst.
John verließ
das Krügle zwei Stunden später – zwei Stunden, in denen er zumeist griesgrämig vor
sich hingestarrt und den üblichen Tresenunterhaltungen höchstens ein halbes Ohr
gegönnt hatte. Immer noch nicht in besserer Stimmung nahm er Kurs auf sein Büro,
um Elvis’ Futterschale aufzufüllen und den Käfig abzudecken. Wahrscheinlich würde
er danach wieder eine einsame Nacht auf der Liege zubringen und sich unentwegt fragen,
wann endlich eine ordentliche Portion Schwung in seine Privatdetektei und sein Liebesleben
käme.
Die Zeit
im Krügle hatte ausgereicht, um aus der zuvor belebten Innenstadt eine stille einsame
Insel werden zu lassen. Weniger Fenster, die erleuchtet waren, weniger Fußgänger,
dafür viel mehr Stille. Der Kopfstein schimmerte im Schein der Laternen, die Bächle
plätscherten leise. Eine Stadt, die sich für eine weitere gewohnt ruhige Nacht bereit
machte.
John hatte
gerade eine besonders dunkle Passage erreicht, als diese übliche Ruhe gestört wurde.
Dumpfe Geräusche, ein Ächzen, ein gepresster Aufschrei.
Er stockte,
duckte sich instinktiv ein wenig.
Erneut diese
dumpfen Laute, die er nicht richtig einzuordnen wusste. Langsamer als zuvor ging
er weiter. Vorsichtig setzte er die Sohlen seiner Sportschuhe auf, als er einen
der vielen, sich mit plätscherndem Wasser füllenden Brunnen umrundete, die es in
der Innenstadt gab. Er presste seinen Körper gegen das nächste Haus, in dessen Erdgeschoss
sich ein kleines Geschäft befand, das Indianerschmuck verkaufte. Ebenso vorsichtig
spähte er um die Ecke.
Eine Szene,
die nicht unbedingt zu einem lauen frühherbstlichen Freiburg-Abend passte. Drei
Gestalten, die sich bedrohlich auf einen einzelnen Mann zubewegten. Die Dreiergruppe
war mit Wollmützen und dunklen, viel zu weiten Klamotten bekleidet, wie man sie
aus Musikvideos amerikanischer Gangster-Rapper kannte.
Um wen es
sich bei dem Einzelnen handelte, der der Gruppe entgegensah und stocksteif dastand,
da war John sich ziemlich sicher – obwohl er ihm nie zuvor begegnet war.
Die drei
näherten sich diesem Mann Schritt für Schritt, aus ihrer Haltung sprach Entschlossenheit.
»Na los, Alterchen«, zischte einer von ihnen. »Hast doch vorhin den wilden Mann
gespielt! Wie sieht’s jetzt aus? Bist du auch so mutig, wenn du echte Gegner hast?«
Das Ganze
spielte sich höchstens vier oder fünf Meter von John entfernt ab. Allerdings hatte
ihn niemand bemerkt, zumindest bislang nicht. Er meinte, die Kleidung, die Mützen
und die drei Gesichter darunter zu kennen. Taugenichtse, die hier und da als Türsteher
arbeiteten und nicht wirklich für Rechtschaffenheit und Anständigkeit bekannt waren.
»Passt auf
die Stange auf!«, warnte einer von ihnen.
Wie auf
das Stichwort zog der Mann, der ihnen gegenüberstand, eine Eisenstange unter seinem
für diese Jahreszeit viel zu warmen Parka mit dem Pelzbesatz hervor. Jetzt gab es
endgültig keinen Zweifel mehr – er war es, der geheimnisvolle Randalierer.
Unbewusst
spannte John seine Muskeln an. Schwer zu sagen, wem man in dieser illustren Runde
am ehesten eine Abreibung gönnen sollte. Auf einmal ging es schnell. Die drei Mützenträger
stürmten auf den Mann ein, urplötzlich und wieselflink. Der erste trat zu, der zweite
griff mit beiden Händen nach der Stange, der dritte schlug zu. Innerhalb eines Augenblicks
war aus den vier Gestalten ein einziges Knäuel geworden. Schläge, Schreie, Stöhnen,
mit einem klirrenden Poltern fiel die Stange auf das Pflaster. Wiederum eher unbewusst
griff John in die Innentasche seiner Lederjacke – die Glock, die ihn einiges an
Geld gekostet hatte, war nicht da. Vergessen. Im Büro. Nun ja, nicht unbedingt vergessen,
eher aus Gewohnheit in der Schublade liegen gelassen. Wer hätte schon ahnen können,
dass er jemals das Bedürfnis hätte, ihren Griff zu fühlen? Ohnehin hatte er keine
Ahnung, was er jetzt mit ihr angefangen hätte.
Der Kampf
dauerte an, und es zeichnete sich ab, wie er ausgehen würde. Obwohl der einzelne
Mann sich mit aller Kraft wehrte, war die Übermacht zu groß. Ein weiterer Tritt,
er sank in die Knie. In seinem Gesicht passierte etwas Merkwürdiges – es wirkte
nicht schmerzverzerrt, es wirkte nicht angespannt, nicht einmal ängstlich. Da war
bloß diese Traurigkeit, eine unendlich tiefe Traurigkeit, die seine Augen erfasste,
die seinen
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