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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Schnauzbart noch tiefer herabhängen ließ.
    Ohne nachzudenken,
ohne abzuwägen, handelte John. Er war von sich selbst überrascht, als er mit raschen
Schritten seine Deckung an der Hausecke aufgab. Im Vorübergehen schnappte er sich
die Stange – und im gleichen Moment traf ihr Eisen den Rücken eines der Mützenträger.
    Ein Aufschrei
aus Schmerz und Erschrecken – das Kampfgeschehen war wie in einem Standbild eingefroren.
    Dann wandten
sich die drei John zu, der die Stange zum nächsten Schlag anhob. »Schluss jetzt!«,
hörte er seine eigene Stimme durch die leere dunkle Gasse hallen. »Genug! Schluss
jetzt!«
    Die drei
verständigten sich mit schnellen Blicken. Wieder war alles ein Standbild. Kampf
oder das Ende des Kampfes? Von Neuem kam wie auf ein geheimes Zeichen Leben in die
drei. Diesmal allerdings entschieden sie sich für den Rückzug. Offenbar hatte John
Dietz’ urplötzliches Erscheinen ihnen den Wind aus den Segeln genommen. Ein paar
Meter gingen sie rückwärts, dann wirbelten sie herum und entfernten sich im Laufschritt;
derjenige, den John mit der Stange bearbeitet hatte, sichtlich langsamer und schwerfälliger.
    Erleichtert
schnaufte John durch. Doch als er sich zu dem Schnauzbärtigen umdrehte, erwartete
ihn die nächste Überraschung. Der Fremde war bereits wieder auf den Beinen. Er sah
John verwirrt an, um auf einmal seinerseits loszurennen, in die entgegengesetzte
Richtung wie die drei Schläger.
    »Hey!«,
rief John. »Warte mal …!« Zuerst wollte er ihm nachsetzen, dann hielt er jedoch
in der Bewegung inne. Der Mann bewies für seine Größe und Schwerfälligkeit eine
erstaunliche Schnelligkeit – es war nur noch ein Schemen von ihm auszumachen. Die
Laute seiner auf dem Pflaster aufschlagenden Sohlen verklangen im Nichts.
    Reichlich
perplex, von der Unmittelbarkeit des Augenblicks noch durchgerüttelt, stand John
da und starrte in die Dunkelheit. Der Stahl in seiner Hand strahlte eine eisige
Kälte aus.
     
    *
     
    Papierfetzen wurden von einem sanften
Wind über den Asphalt geweht, der vom Sonnenlicht erhellt wurde. Irgendwo hinter
ihm brummte gedämpft der Verkehr, der sich dem Hautbahnhof entgegenwälzte oder sich
von dort in Richtung Autobahn ergoss. Die Belfortstraße. Jene Straße, die zwischen
Jazzhaus und Crash verlief, zwei mehr als beliebten abendlichen Anlaufpunkten. Um
diese Zeit allerdings gehörte sie John Dietz allein. Wie an jedem gewöhnlichen Spätvormittag
herrschte zwischen den Häuserzeilen eine träge Ruhe, vor allem im unteren Teil.
    Ohne Eile
ging John weiter. Einige verloren gepflanzte Bäume, nicht gerade auffällige Wohnhäuser,
ein paar Kneipen, in denen erst allmählich ein bisschen Leben erwachte. Früher war
John öfter in dieser Ecke der Stadt gewesen, und in den Abendstunden musste hier
nach wie vor recht viel los sein, wie er immer wieder hörte. Er saugte die Luft
ein, streckte kurz die Arme aus. Müde fühlte er sich. Zu lange geschlafen, zu viel
gefrühstückt.
    Niemand
kam ihm entgegen. Er ließ den Blick schweifen, und in seinen Gedanken nahm unweigerlich
eine Frau Gestalt an. Jung und hübsch, verwirrt, orientierungslos. Irgendwo vor
diesen Gebäuden musste sie damals herumgestolpert sein, ehe sie von den Polizisten
gestoppt wurde. John blieb an einer Kreuzung stehen, drehte sich um und ging so
gemächlich wie zuvor zurück, die Belfortstraße hinunter. Keine Papiere, keine Handtasche,
wahrscheinlich kein Geld. Woher mochte Felicitas Winter an jenem Tag gekommen sein?
Wo schon zuvor herumgeirrt sein, wie Thomas Butzenberg es genannt hatte? Es konnte
reiner Zufall sein, dass sie ausgerechnet hier … Erneut schaute John sich nachdenklich
um. Andererseits sprach der schlechte Zustand, in dem sie sich befand, eindeutig
dagegen, dass sie einen allzu weiten Weg hinter sich hatte. Verwirrt, wie unter
Drogen. So konnte man nicht kilometerweit durch die Stadt spazieren. Irgendwo hier,
irgendwo an diesen Straßenecken …
    Noch einmal
machte John kehrt, weiterhin vor sich hin grübelnd. Bei einer seiner alten Stammkneipen,
dem Papperla-Pub, blieb er stehen. Es war bereits geöffnet, wenn auch erst seit
ein paar Minuten. Die wenigen Stühle und Tische, die draußen standen, wurden von
den nächtlichen Sicherungsketten befreit und beiläufig mit einem Staublappen gestreichelt.
John ließ sich auf einem der Stühle nieder und bestellte bei dem jungen, sichtlich
verschlafenen Mann, der hier die erste Schicht hatte, eine Tasse Milchkaffee. Wieder
einmal

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