Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
und erzählte von dem Tag, als die Frau aufgegriffen
wurde und wieder verschwand. Wobei er ihr Verschwinden im Gegensatz zu Tante Ju
eher als ›erlaubt‹ schilderte. »Sie hatte ja nichts verbrochen«, bekräftigte er,
und John ließ es darauf beruhen.
Schade war
nur, dass Thomas Butzenberg nichts Erhellendes zu erzählen vermochte. John streckte
die Beine auf dem Tisch noch ein wenig bequemer aus. Einzelne Bemerkungen von Thomas
huschten ihm im Gedächtnis umher. … sehr hübsch … aber auch reichlich verwirrt …
ziellos durch die Belfortstraße geirrt … wohl in Richtung Bahnhof … irgendwie komisch
… eingeschüchtert, ängstlich …
So oder
so ähnlich hatte sich ja bereits Thomas’ Tante ausgedrückt. Oder gab es da doch
die eine oder andere Andeutung, die irgendetwas Neues aufwerfen könnte? John kratzte
sich am Hinterkopf. Tante Ju hatte vom Hauptbahnhof gesprochen, Thomas hingegen
von der Belfortstraße, die allerdings nicht weit entfernt war. Und sonst? Nichts.
Natürlich. Nichts und wieder nichts.
Warum machst
du dir überhaupt noch Gedanken um die Sache?, schimpfte er grollend mit sich selbst.
Sogar jetzt noch, da Laura Winter abgereist war. Aus und vorbei, Chance verpasst.
So simpel war das.
»… only
fools rush in …«, meldete sich nebenan erneut jemand Bestimmtes zu Wort.
»Halt die
Klappe, Elvis!«, forderte John.
»You ain’t nothing but a hound dog …«, krächzte der Papagei zurück.
»Ach, ich
streite mich doch nicht mit dir, du verrückter Vogel.« John stand auf und schnappte
sich seine Jacke. Er lief durch die abendliche Altstadt, deren Fassaden ihre bizarren
Schatten auf das Kopfsteinpflaster warfen. Hinter ihm ragte das Martinstor auf,
der mittelalterliche Torturm, dessen Spitze wie eine kunstvoll geformte Waffe in
den endgültig dunkel gewordenen Himmel stach. Erleuchtete Schaufenster, viele Passanten,
das Rattern der Straßenbahn. Und weiterhin war die Luft getränkt von einer spätsommerlichen
Milde.
Unweigerlich
führte Johns Weg zum Krügle, und zu seiner Freude hatte Blanca Dienst. Die Kneipe
war recht gut gefüllt mit ihrem ganz eigenen Gemisch unterschiedlichster Typen und
Gesichter. Und wie schon bei seinem letzten Besuch herrschte ziemliche Aufregung.
Blanca stand gemeinsam mit Günther hinter dem Tresen. Eine Traube aus fünf oder
sechs Stammgästen und Pavel, dem tschechischen Koch, klebte davor und schenkte Blanca
die ganze Aufmerksamkeit. »Bist du sicher?«, rief ihr einer zu, als John sich gerade
dazugesellte.
»Darauf
kannst du wetten«, erwiderte sie überzeugt, »dass ich sicher bin.«
Alle redeten
durcheinander, und erst nach einer Weile erkannte John, dass es bei der aufgeregten
Unterhaltung abermals um den seltsamen Fremden ging, der mit einer Stange für Radau
und Schaden gesorgt hatte. Offenbar war er wieder aufgetaucht.
»Aber nicht
direkt im Krügle«, erklärte Blanca auf Johns Nachfrage. »Ich hab ihn durchs Fenster
gesehen. Er latschte einfach die Straße entlang, ohne auch nur einmal aufzusehen.
Ganz in Gedanken versunken. Dem war gar nicht bewusst, was er hier angestellt hat.«
Empört schüttelte die Bedienung den Kopf. »Der Typ hat gewirkt, als könne er keiner
Fliege was zuleide tun. Mensch, ich dachte schon, der weint gleich los.«
»Und was
ist dann passiert?«, hakte John nach.
»Zuerst
wusste ich gar nicht, was ich tun sollte. Dann wollte ich die Polizei anrufen. Dann
hab ich nach Günther gebrüllt, aber der war gerade im Keller. Also bin ich zum Eingang
gelaufen, aber als ich schließlich auf die Straße raus bin, war der komische Kerl
irgendwo in der Masse verschwunden.«
»Ich hab
mich trotzdem bei der Polizei gemeldet«, warf Günther ein. »Und wieder waren zwei
Beamte ziemlich schnell bei uns. Sie sind los, um nach dem Verrückten zu suchen.
Doch der war auf und davon.«
Erneut setzte
Stimmengewirr ein und John hatte einige Mühe, Blancas Aufmerksamkeit zurückzugewinnen.
Er stellte weitere Fragen, allerdings hatte sie nichts mehr zu berichten. Mit seinem
charmantesten Lächeln bot er sich an, sie auch an diesem Abend nach Hause zu bringen.
Doch sie erklärte ihm, ihrerseits mit charmantestem Lächeln, dass ihr Freund sie
heute abholen und das erledigen würde.
Womit John
bedient war. Du bist und bleibst ein Pechvogel, klagte er in Gedanken sein Leid.
Ihr Freund! Bisher hatte sie kein Sterbenswörtchen über einen Freund verloren, und
nun das. Also sei’s drum, au revoir, Blanca, du einziger Sonnenstrahl in diesen
vom
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