Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
kitzelte ihn der Gedanke an eine Zigarette, doch glücklicherweise nur kurz.
Der Kaffee
wurde gebracht und sein Duft lenkte John ab von dem längst besiegten Laster – nicht
jedoch von der jungen Frau. Erneut sah er sie im Geiste ihrem ziellosen Weg folgen.
Was tust du überhaupt hier?, fragte er sich dann. Du hast ja nicht einmal einen
Auftrag. »Ach, was soll’s«, murmelte er. »Du hast ja Zeit.« Ja, die hatte er. Zeit
schien das Einzige zu sein, was John Dietz im Überfluss besaß.
Die große
Tasse, die eher an eine Suppenschale erinnerte, wurde ein wenig leerer, während
er die Straße beobachtete, ohne etwas zu haben, nach dem er wirklich Ausschau halten
konnte. Weiterhin war er der einzige Gast. Sein Blick fiel auf eine andere, ähnlich
ausgestattete Kneipe, den Eimer, wo er früher einige Male gewesen war. Eine junge
Frau, sicherlich die Bedienung, trug drei winzige Tische nach draußen und gleich
darauf noch ein paar Plastikstühle. Ja, das war Freiburg. Wenn der Sommer ein wenig
länger zu Gast blieb, fand man fast überall die Gelegenheit, in der Sonne einen
Kaffee oder ein kaltes Bier zu genießen.
Doch fürs
Erste blieben die Plätze frei – die Belfortstraße präsentierte sich nach wie vor
recht verschlafen. Wenn auch etwas mehr Bewegung entstand. Hier und da öffnete sich
ein Fenster, dann und wann tauchte jemand auf, um den Hund Gassi zu führen, das
eine oder andere der nicht gerade protzigen, oft schon rostenden Autos startete
und röchelte langsam aus Johns Blickfeld. Zwei alte Frauen passierten, vertieft
in eine Tratscherei, seinen Tisch, gleich darauf drei Freaks mit Rastahaaren und
löchrigen Jeans, dann ein alter Obdachloser mit seiner ganzen Habe auf dem Rücken.
Ein letzter
Rest Kaffee bedeckte nur noch den Tassenboden. John wischte sich zum wiederholten
Mal den schier unzerstörbaren Milchschaum von der Oberlippe. In die matte Stille
ringsum platzte das Aufkreischen eines aufgemotzten Motors. Im nächsten Moment schoss
ein Chrysler 300 C um die Ecke und wurde gekonnt in eine enge Parklücke manövriert.
Silbern funkelnde Felgen, schwarze Lackierung, stark getönte Scheiben, die die Sicht
ins Innere verwehrten. Ein Pärchen entstieg dem Gefährt, das nicht so recht in die
Reihe ziemlich mitgenommener Blechkisten passte. Der Mann war nicht groß, eher untersetzt,
mit Stiernacken und breiten Schultern, sein Anzug so dunkel und elegant wie sein
Auto. Die Frau, die sich aus der Beifahrertür schob, machte einen eher ungepflegten
Eindruck. Nachlässig hatte sie ihr blond gefärbtes Haar hochgebunden, die Sporthose
baumelte faltenreich um ihre Beine. Erst als die beiden am Papperla-Pub vorbeikamen,
sah John, dass sie sehr jung und hübsch war. Während ihr Begleiter grimmig vor sich
hinstarrte, schien sie sich kaum wach halten zu können. Sie schlich hinter dem Mann
her und gähnte dabei ausgiebig. In dem Moment, als sie nacheinander in einem unscheinbaren
Hauseingang verschwanden, zählte John etwas Kleingeld für sein Getränk ab. Da der
junge Kellner sich nicht mehr hatte sehen lassen, ging er hinein, um dort die Rechnung
zu begleichen.
Gleich darauf
schlenderte John erneut die Belfortstraße entlang. Er schenkte dem Chrysler mit
den fast schwarz wirkenden Scheiben einen kurzen Seitenblick. Und noch einmal musste
er an Laura Winter denken. Die junge Bedienung des Eimer stand müßig vor dem Eingang
und winkte John zu – jetzt erst erkannte er sie wieder. In irgendeiner Bar hatte
er einmal mit ihr gequatscht. Er blieb bei ihr stehen, um ein paar nette Worte zu
wechseln. Was dazu führte, dass er sich an einem der kleinen Tische niederließ und
abermals einen Milchkaffee bestellte. Er war also nicht viel weiter als 200 Meter
gekommen – und nach wie vor stand der Tag so leer vor ihm wie heute Morgen, als
er im Nebenraum seines Büros aufgewacht war.
Die Bedienung,
sie hieß Sandra, leistete ihm Gesellschaft, während er an der nächsten Riesentasse
nippte, dann trafen weitere Gäste ein, und Sandra hatte zu tun. Also war John von
Neuem allein mit sich und der Belfortstraße. Der Mann von vorhin schob sich bereits
wieder aus dem Hauseingang, allein, ohne die Frau. Er redete leise in sein Handy,
schlüpfte hinters Steuer des Chryslers und jagte mit donnerndem Motor davon. Vereinzelte
Passanten, ansonsten tat sich nichts.
Sandra warf
John ein Lächeln zu, bevor sie einen weiteren Gast, offenbar einen Studenten, in
Empfang nahm. John zwinkerte und während er sie anblickte, sah er vor
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