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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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sich das Gesicht
des Unbekannten mit dem Schnurrbart, dessen Eisenstange nun in Johns Büro auf einer
Ablage ruhte. Dieser Mann. Wie ein trauriger Bär. So zumindest hatte er auf John
gewirkt. Nach den Berichten von Tante Ju und Blanca hielt er ihn für einen Durchgeknallten,
der zu unkontrollierbaren Gewaltausbrüchen neigte. Einer, der reif war für die Klapsmühle.
Aber jetzt, da er ihn selbst gesehen hatte … Diese Traurigkeit.
    Letzte Nacht,
in diesem merkwürdigen, überfallartigen Moment, war es für John gar keine Frage
gewesen, dass er dem Fremden beistehen würde. Ganz gewiss nicht den drei anderen,
die anscheinend gesehen hatten, wie der Kerl in einer weiteren Kneipe um sich geschlagen
hatte, und ihm nachgeschlichen waren – oder ihn einfach zufällig wiedergetroffen
hatten. Das spielte jetzt keine Rolle mehr. Ja, dieser überfallartige Moment. John
hatte dem Mann geholfen, ohne wirklich zu wissen, warum. Vielleicht nur aufgrund
dieses klagenden Ausdrucks in den Augen, des bebenden Schnauzers, der hängenden
Schultern. Vielleicht nur, weil der seltsame Vogel ein Außenseiter war. Und John
wusste, was es hieß, ein Außenseiter zu sein. Ach, vergiss ihn, riss er sich aus
den Gedanken, vergiss ihn endlich. Du hättest den Vorfall lieber der Polizei melden
sollen, du Möchtegern-Detektiv.
    Sandra schwirrte
vorbei und stellte einen Teller mit einem Croissant vor ihm ab. »Geht aufs Haus«,
zwitscherte sie heiter.
    »Besten
Dank!« Überrascht strahlte er sie an.
    Die Minuten
krochen zäh dahin. Ein junger Mann mit blassen Wangen und einer roten, tief in die
Stirn gezogenen Baseballkappe klingelte und verschwand im gleichen Haus wie zuvor
das Pärchen. Mehr Autos, mehr Fußgänger als zuvor. Aus der Stereoanlage im Inneren
der Kneipe dudelte angestaubte Rockmusik gedämpft ins Freie. John summte unbewusst
die Melodien der alten Songs mit. Irgendwann tauchte der Typ mit der roten Mütze
wieder auf und stieß fast mit einem anderen Mann zusammen, der auf das Haus zustrebte.
Es schien das Gebäude zu sein, in dem mit Abstand am meisten los war. Merkwürdig
nur, dass es nahezu ausschließlich das Ziel von einzelnen Männern zu sein schien.
Sie gaben sich in gut 30-minütigem Abstand quasi die Klinke der Eingangstür in die
Hand. John runzelte die Stirn. Sein zweiter Kaffee war bereits getrunken, von dem
Croissant lagen bloß noch ein paar Krümel verstreut auf dem Teller. Und abermals
ein einzelner Mann, der anscheinend ganz gewohnheitsmäßig auf das Haus zuging, klingelte
und ins Innere der Mauern schlüpfte. Benutzten sie nicht alle ein und dieselbe Klingel,
eine der oberen? Ein leichtes Schmunzeln umspielte Johns Mundwinkel. So merkwürdig,
wie anfangs gedacht, war das wohl gar nicht. Aber wer hätte vermutet, dass ausgerechnet
mitten in der Belfortstraße … Nun ja, ihn ging es schließlich nichts an.
    Er bestellte
ein Wasser, plauderte gelegentlich mit Sandra, starrte immer mal wieder auf das
stets leere Display seines Handys und schob den quälenden Gedanken weit von sich,
wie es weitergehen sollte. Mit seiner Detektei, mit seinem Leben, mit allem. Kreuzworträtsel
in abgegriffenen Zeitungen bedeuteten eine kleine Ablenkung – und die Männer, die
das Haus aufsuchten. Fünf in den mehr als zwei Stunden, die John nun schon im Eimer
verschwendete.
    Noch etwas
später, als John gerade den Kaffee und zwei Wasser bezahlt hatte, hörte er das eindrucksvolle
Wummern eines Motors. Im nächsten Moment zischte der Chrysler um die Ecke, so wie
zuvor, und wurde in einer etwas weiter entfernten Lücke geparkt. Der Fahrer mit
dem eleganten Anzug stieg aus und ging schnurstracks auf das Haus zu, das so manchen
Mann anzog. John saß noch immer an dem kleinen Tisch, wartete auf das Wechselgeld
und folgte ihm mit den Augen. Dann verabschiedete er sich charmant von Sandra, die
ihn aufforderte, mal wieder vorbeizukommen. Ein kleiner Trost für seine arme Seele.
Lächelnd verließ er den Eimer, um nach dieser scheinbar endlos langen, ereignislosen
Zeit die Belfortstraße hinab zur Ecke Schnewlinstraße zu gehen, wo sein altersschwaches
Fahrrad an einem Laternenpfahl angekettet war. Er trat nicht allzu heftig in die
Pedale, als er die Belfort zurückfuhr in Richtung Stadtmitte. Der Anzug stach ihm
ins Auge – der Mann befand sich bereits wieder auf der Straße, und zwar in Gesellschaft
einer Frau.
    Es dauerte
einige schwerfällige Umdrehungen der abgewetzten Reifen, bis John in ihr tatsächlich
dieselbe Frau erkannte, die

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