Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
gelegt, tröstend,
beruhigend, wie er es wohl bei einer guten Freundin oder Bekannten getan hätte.
Doch im letzten Moment zuckte er zurück. Einerseits tat sie ihm leid, andererseits
ärgerte er sich nach wie vor über ihre Bissigkeiten. Laura Winter machte es einem
nicht leicht, sie ins Herz zu schließen. Flüchtig dachte er daran, wie er ihr Parfüm
noch auf der Liege seines Büronebenzimmers gerochen hatte. Auch jetzt kitzelte es
seine Nase.
»Ich habe
der Polizei nicht Bescheid gesagt«, erklärte sie nach einer Weile, »weil sie es
mir sowieso nicht abgenommen hätten. Vor allem, nachdem ich mich so verhalten habe.
Jetzt will ich warten, was bei der Fahndung nach diesem Auto herauskommt.«
»Willst
du meine ehrliche Meinung?«
»Welche
sonst?«
»Das alles
ist wirklich sehr dünn und …«
»Das ist
mir selbst klar«, schnitt sie ihm das Wort ab.
»Eben. Deshalb
würde ich mir nicht allzu viel davon versprechen.«
»Wer sagt
denn, dass ich das tue?« Da kam sie ja bereits wieder zum Vorschein, die schnippische
Version von Laura Winter.
An der nächsten
Kreuzung hielten sie an. »Hast du überhaupt etwas gegessen?«, fragte John. »Heute
Abend?«
»Abend ist
gut. Seit dem Frühstück nicht mehr. Aber ich habe trotzdem keinen Hunger. Allein
der Gedanke an Essen ist mir zuwider.«
»Dein Hotel
ist nicht mehr weit. Soll ich dich dorthin bringen? Ich nehme an, du bist müde und
…« Er brach den Satz ab.
Nach längerem
Überlegen, das nicht unbedingt typisch für sie zu sein schien, nickte sie. »Das
Hotel. Hm. Ist vielleicht keine schlechte Idee.«
Doch irgendetwas
an der Art, wie sie das sagte, kam ihm komisch vor. »Dann also los«, meinte er dennoch.
Sie verfielen
wieder in Schweigen. Der Stadtkern lag ein ganzes Stück hinter ihnen. Die Straßen
waren nicht mehr ganz so stark beleuchtet, hier gab es weniger Geschäfte mit lichtüberfluteten
Schaufenstern. Laura blickte sich um, unauffällig und nicht ständig, aber sie schien
überaus aufmerksam zu sein. John registrierte das sehr wohl.
Kurz darauf
blieben sie erneut stehen, diesmal nur wenige Schritte vom Hoteleingang entfernt.
Der Moment, als sie ihn an genau dieser Stelle wie einen Schuljungen abserviert
hatte, schien viel länger her zu sein, als es in Wirklichkeit der Fall war. Jedenfalls
kam es John auf einmal so vor.
»Noch mal
zu der Limousine«, hörte er sich sagen – obwohl er das eigentlich nicht hatte ansprechen
wollen.
»Ja?«
»Es war
nicht zufällig ein Chrysler?«
»Nein«,
sagte Laura. »Ein Mercedes. Eine E-Klasse, wie ich inzwischen weiß. Mit Offenburger
Nummernschild.«
»Den Fahrer
hast du nicht gesehen, schätze ich?«
»Die Scheiben
sind so dunkel wie die einer Staatskarosse.« Sie musterte ihn. »Warum willst du
das alles wissen?«
»Ach, nur
so.« Ja, nur so. Es war Unsinn, die Frage überhaupt zu stellen. Was sollte der Chrysler
mit dem Fahrzeug zu tun haben, von dem sich Laura Winter verfolgt fühlte? Unsinn,
alles Unsinn, jeder Gedanke, den er zu spinnen versuchte. Und sein Riecher war nur
eine ganz gewöhnliche Nase, die vielleicht Bratenduft, aber gewiss keine Spuren
in merkwürdigen Fällen aufzuschnappen vermochte. In Fällen, die ohnehin keine Fälle
waren. Mensch, Johnny, wieso um alles in der Welt hast du keinen anständigen Beruf
gelernt?
»Vielen
Dank für die Begleitung«, drängte sich Lauras Stimme in sein Bewusstsein. »Und danke
für deine Zeit.« Ihre Worte klangen nett, doch ihr Blick war nicht bei ihm, sondern
zuckte über seine Schultern hinweg in die Dunkelheit.
»War mir
ein Vergnügen.«
»Nochmals
vielen Dank.«
Normalerweise
machte sie nicht so viele überflüssige Worte, dachte er. Und dann erkannte er, was
los war. Endlich. Und er war überrascht. Warum bist du manchmal so begriffsstutzig?,
fragte er sich. Laura Winter hatte Angst. Viel mehr, als er angenommen hatte. Viel,
viel mehr. Der Zwischenfall mit dem Auto, die Annahme, ihr Zimmer sei durchsucht
worden, die Fragezeichen im Leben ihrer Schwester – all das hatte ihr wesentlich
mehr zugesetzt, als er bisher wahrgenommen hatte. Aber das lag auch an ihrem Verhalten,
an ihrer kalten Schnauze, wie er es in Gedanken nannte.
»Einen schönen
Abend noch, John.«
Der verkniffene
Zug um ihren Mund bestätigte ihn zusätzlich. Er räusperte sich und begann zu sprechen,
noch bevor er wirklich einen Entschluss gefasst hatte: »Ich möchte dir ein Angebot
machen.« Ein weiteres Räuspern. »Ein Angebot, das du bitte nicht falsch
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