Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
John, ein bisschen Bewegung tut dir gut. Und wenn eine ordentliche Kondition
am Ende das Einzige wäre, das bei diesen merkwürdigen Ermittlungen herausspringen
würde.
Knapp eine
Dreiviertelstunde später hatte er nicht nur das Rad bei sich zu Hause geholt, sondern
war bereits vom Freiburger Norden in den Südosten der Stadt gestrampelt. Zuvor hatte
er im Internet nach der Adresse geforscht, die mittlerweile nur noch zehn Meter
von ihm entfernt war. John bremste, schwang sich aus dem Sattel und lehnte das schwarze
Ungetüm an die Ecke der Doppelwerkstatthalle, die mit schweren Eisentoren verschlossen
war. Er ließ den Blick schweifen. Was er entdeckte, waren in erster Linie Wohnhäuser,
wie es sie praktisch überall in Freiburg gab. Die Littenweiler Endhaltestelle der
Straßenbahnlinie 1 befand sich ganz in der Nähe, auch ein Kiosk und ein Blumenladen.
Ein ruhiges Fleckchen, das sich der Besitzer der Autowerkstatt Eisenring ausgesucht
hatte. Ruhig war offenbar auch sein Geschäft verlaufen.
John ging
ein paar Schritte weiter und spähte durch die fleckige Fensterscheibe des Büroraumes,
nicht mehr als ein kleiner Verschlag, der an die Doppelhalle anschloss. Schreibtisch
und Stuhl, eine Anrichte, ein schiefes leeres Regal. Alte Kalender mit jungen Frauen
an den Wänden. Und Staub, jede Menge davon. Dieses Büro machte einen weitaus trostloseren
Eindruck als Johns eigenes – hierher schien sich seit Wochen oder sogar Monaten
keine Menschenseele mehr verirrt zu haben.
Er schlug
den Weg zum Kiosk ein. Die Sonne ließ sich von einer Wolkengruppe verdecken, ein
Windhauch durchzog die Straße, doch die Luft hatte sich kaum abgekühlt, war nach
wie vor angenehm warm. Der Herbst hatte endgültig Verspätung.
Zwischen
einem wohlgeordneten Chaos aus Zeitungen, Magazinen, Süßigkeiten und Feuerzeugen
klebte das unsagbar gelangweilte Antlitz eines Mannes mit Hornbrille, der aussah,
als gehöre ihm der Kiosk seit Urzeiten. »Grüß Gott«, rief ihm John betont freundlich
entgegen, wurde jedoch nur mit einem teilnahmslosen Achselzucken bedacht. Das könnte
schwierig werden, dachte er und postierte sich an dem Durchreichfenster. Er griff
nach zwei Packungen Pfefferminzkaugummi und verlangte eine Cola aus dem Kühlschrank.
Der Herr mit der Brille murmelte den Preis, John bezahlte und öffnete die Dose mit
einem Zischen.
Er sollte
recht behalten. Es wurde schwierig. Zuerst plauderte er über den Verkehr, der vom
Höllental in die Stadt quoll – normalerweise ein dankbares Thema in Littenweiler
– dann über das Wetter und über einen Unfall auf der Schwarzwaldstraße, in den mehrere
Fahrzeuge verwickelt waren. Nichts. Nichts außer einem müden Nicken. Blieb nur noch
der SC, der sich immerhin wacker schlug. Doch erst als er den Namen von Volker Finke,
des früheren Trainers, erwähnte, kam Leben in den Kioskbesitzer. Er schimpfte wie
ein Rohrspatz darauf, wie der Verein mit dem Coach umgesprungen sei. Finke und Freiburg
– selbst nach vielen Jahren ein Reizthema im ganzen Breisgau. Aber jedenfalls hatte
John den Mann. Eilig stimmte er allen Punkten zu, meckerte seinerseits ein wenig
über die Clubführung, womit er bei dem Kioskbesitzer offene Türen einrannte. Schließlich
unterhielten sie sich so einvernehmlich miteinander, dass John allmählich auf die
Werkstatt in Sichtweite zu sprechen kam. Er erklärte, er habe einmal einen alten
Fiesta dort reparieren lassen – mit dem Ergebnis, dass der Wagen endgültig auseinandergefallen
sei.
»Ha!«, rief
der Mann aus. »Kein Wunder! Dieser Typ hat sowieso nix getaugt.«
»Eisenring?«,
hakte John unverbindlich nach.
»Aber sicher!«
Die Hornbrille hüpfte auf der Nase. »Ein Faulpelz mit großer Klappe. Denkbar schlechte
Kombination. Manchmal hat der seine Blechbude tagelang nicht aufgemacht. So war’s
kaum eine Sensation, dass da irgendwann überhaupt keine Kunden mehr aufgetaucht
sind. Und die, die es gewagt haben …« Mit einem Abwinken ließ er den Satz verklingen.
»Was ist
mit denen? Erging es denen wie mir?« John trank einen Schluck Cola.
»Würde mich
jedenfalls nicht wundern. Am Schluss gingen sowieso nur noch komische Vögel zu Eisenring.«
»Komische
Vögel? Wie meinen Sie das?«
»Ha! Typen
mit schicken Schlitten und schlechten Manieren. Komische Vögel eben. Teure Anzüge,
aber fiese Visagen, wenn Sie wissen, was ich meine.«
»Was denn
für Schlitten?«
»Ach, keine
Ahnung mehr. Benz und solche Sachen. Auf jeden Fall kein Opel Meriva, womit ich
armer
Weitere Kostenlose Bücher