Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
Hund mich rumplagen muss.«
»Wann hat
Eisenring eigentlich dichtgemacht?«
»Vor ein
paar Monaten. April, Mai, schätze ich.«
»Und seitdem
haben Sie ihn nicht mehr gesehen?«
»Nee, junger
Mann. Kein einziges Mal.« Der Kioskbesitzer kicherte. »Und ich vermisse ihn auch
nicht. Er kam manchmal rüber, um ein paar Bier oder Zigaretten zu kaufen und mit
mir zu ratschen. Wahrscheinlich aus Langeweile. Hat immer ziemlich großspurig dahergeredet.
Da dachte ich mir schon, dass mit dem nicht viel los ist.«
»Ich kann
mich ganz gut an ihn erinnern«, log John weiter. »So unsympathisch fand ich ihn
damals gar nicht.«
»Schon möglich.«
»Hat der
nicht auch hier in der Nähe gewohnt?« Ein Schuss ins Blaue.
»Nee, nee.
Einmal kam seine Mutter in einer alten Klapperkiste angefahren, um ihn abzuholen.
Da stand er gerade bei mir auf ein Bier. Es war ihm irgendwie peinlich.«
»Warum?«,
fragte John.
»Aus den
paar Worten, die seine Mutter zu ihm sagte, ging hervor, dass das Großmaul Eisenring
noch bei ihr zu Hause wohnte. Deswegen war’s ihm peinlich.«
John lachte.
»Na, das kann ich mir vorstellen. Bei seiner Mutter?«
»Ja, soviel
ich weiß. Eine nette Witwe, die es leid sein müsste, jahrein, jahraus auf diesen
Kindskopf aufzupassen.«
»Da hoffe
ich für die gute Frau, dass sie sonst keine Kinder hat«, meinte John scherzhaft.
Ein verhaltenes
Lachen. »Nein, ein kleiner Eisenring reicht völlig.«
»Sie wissen
wahrscheinlich nicht, wo die Wohnung von Frau Eisenring ist, oder?«
»Die Frau
hat irgendwas von Lehen erwähnt.« Zum ersten Mal stutzte der Mann. »Wieso sind Sie
denn so interessiert daran?«
John machte
eine unbestimmte Geste. »Eigentlich bin ich das gar nicht. Ich weine wahrscheinlich
immer noch meinem Fiesta nach.«
»Ich könnte
Ihnen einen Meriva anbieten.«
»Besten
Dank, noch eine Dose Cola würde mir fürs Erste reichen.«
Der Kioskbesitzer
schmunzelte und drehte sich zum Kühlschrank um, während John etwas Kleingeld aus
der Hosentasche kramte, in Gedanken bereits bei seinem nächsten Termin. Es wurde
allmählich Zeit, zurück in die Innenstadt zu fahren. Schließlich wurde er erwartet.
Von Chantal.
*
Es war genau 18 Uhr, als John Dietz
die unter dem Dach gelegene Wohnung verließ. Beim Betreten der Belfortstraße hörte
er beiläufig die Glocken der Herz-Jesu-Kirche aus dem Stühlinger, der sich auf der
anderen Seite der nahe gelegenen Schienenstränge ausbreitete. Die Eindrücke von
eben wirkten noch allzu stark in ihm nach, und er ließ sich Zeit, um zurück zu seinem
Fahrrad zu gelangen. Eine kleine und dunkle Wohnung, die zu einem Puff umfunktioniert
worden war. Der schmale Flur, über den er zu einem Zimmer geführt worden war, dessen
plüschige Atmosphäre nicht über reinen Pragmatismus hinwegzutäuschen vermochte.
Ein Bett, abgedeckt mit rasch auswechselbarem Papierlaken, ein Waschbecken, allerlei
bizarres Spielzeug, sauber aufgehängt an der Wand, zwei Sessel, in dem gleichen
Weinrot gehalten wie Tapete, Türanstrich und das Negligé der jungen Frau, die ihn
als Chantal willkommen geheißen hatte. Aus einem weiteren Zimmer drangen Stöhngeräusche
zu ihnen – demnach hatte Chantal nicht allein Dienst.
Sie war
hübsch, und von Angesicht zu Angesicht ertönte ihr Akzent etwas härter. Sie lächelte,
plapperte, konnte aber ihre Langeweile nicht ganz verbergen. Mit geübtem Griff nahm
sie die 100 Euro entgegen, die sie als Standardpreis bezeichnete, und John blieb
nichts anderes übrig, als dem Schein mit steinerner Trauer im Gesicht hinterherzublicken.
Junge, was tust du hier?, fragte er sich. Umsonst, es war zu spät.
Chantals
Pupillen waren auffällig geweitet, als hätte sie Dinge zu sich genommen, die es
nicht in der Apotheke gab. Jedenfalls handelte es sich bei ihr nicht um die Frau,
die den untersetzten Mann mit dem Messer nach Herdern begleitet hatte. »Du willst
reden, hast du gesagt«, flötete sie und streifte John ohne Umschweife die Lederjacke
von den Schultern.
»Genau«,
meinte er und musste sich erst einmal sammeln.
Was dann
folgte, verbuchte er einfach als ›Praktische Erfahrung in Sachen Zeugenbefragung‹.
Wie er es auch anpackte, welches Thema er anschnitt, er kam nicht an sie heran.
Nicht die geringste Kleinigkeit konnte er in Erfahrung bringen, ja, er war Lichtjahre
davon entfernt, den Mann mit dem Messer lediglich erwähnen zu können. Chantal wurde
dem ganzen Gerede nach zehn Minuten überdrüssig und begann uninspiriert, an
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