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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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wieder ausgehen lassen,
da es zu heiß wurde und die Haut seiner Finger verbrannte. Nichts als Leere.
    Er hatte
Rainer Metzler nicht gefragt, in welchem Stockwerk sich jene Szenen mit den älteren
Herren und den jungen Damen abgespielt hatten. War das überhaupt von Bedeutung?
Denn überall gab es nur diese Leere. Derselbe Grundriss, derselbe Staub. Mittlerweile
war John wieder im Erdgeschoss angekommen. Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit
gewöhnt, das Feuerzeug ließ er fast die ganze Zeit aus. Noch eine Wohnung. Nämlich
die, über deren Küchenfenster er sich zuvor Zugang zum Haus verschafft hatte.
    Im Rahmen
der eingetretenen, nur noch halb in den Angeln hängenden Tür hielt John inne. Ein
Geräusch? Er schluckte, lauschte angestrengt in die Stille. Nein, nichts, überhaupt
nichts.
    Doch er
ging nicht weiter, verharrte auf der Stelle. Irgendwo hier, in dieser Hülle aus
Beton, war die junge Frau namens Felicitas Winter zumindest einmal im letzten geheimnisvollen
Jahr ihres Lebens gewesen. Näher als in diesem Moment war er ihr womöglich niemals
gekommen. Und würde es auch nicht mehr.
    »Felicitas«,
wisperte er in die bleierne Lautlosigkeit hinein. »Du bist und bleibst ein Rätsel.«
    John hatte
nicht damit gerechnet, hier auf eine Spur zu stoßen – und dennoch hatte er nicht
widerstehen können. Vielleicht nur um das zu wissen, was er doch schon längst wusste:
dass es gar nicht darum ging, in dieses Gebäude zu gelangen. Das war das falsche
Haus. Wollte er wirklich etwas erfahren, musste er sich einem anderen nähern. Und
zwar der Villa in Herdern. Nur sie konnte sein Ziel sein. Oder etwa nicht?
    Er seufzte
auf. Und kam dann wieder in Bewegung. Er wandte sich dem Raum zu, der gegenüber
der Küche lag. Seine Gedanken schlichen zurück zu dem Mann mit dem Messer, zu Chantal,
die ihm nicht im Geringsten hatte weiterhelfen können oder wollen. Ein Knistern
unter seiner Sohle, das unwirklich laut klang in diesem toten Gebäude. John betätigte
das Feuerzeug, das nur mehr eine winzige Flamme zustande brachte. Er stand auf einer
leeren Gummibärchentüte.
    Der schwache
Lichtschein erhellte weitere Abfälle. Offenbar war hier ein Obdachloser eine Zeit
lang untergekommen. John machte einen weiteren Schritt in das Zimmer hinein und
hielt das Feuerzeug etwas weiter von sich gestreckt. Ein Schlafsack, zwei löchrige
Decken, ineinander verknautscht, daneben einige Kerzenstummel. Zwei weitere Gummibärchentüten,
eine davon ungeöffnet. Eine volle Wasserflasche. Und zwei Weinflaschen. Die wiederum
leer. John hob eine auf und überprüfte das Etikett, bevor er sie zurückstellte.
Anscheinend ein Pennbruder mit Anspruch: kein Billigfusel, sondern ein recht kostspieliger
Kaiserstühler Grauburgunder.
    Wieder ein
Geräusch. Hinter ihm.
    John erstarrte.
Und drehte sich langsam um. Die Dunkelheit wirkte auf einmal vollkommen undurchdringlich.
Wind rüttelte an den Mauern. Ein Schauer rieselte an Johns Wirbelsäule entlang.
    Er machte
das Feuerzeug an – doch die Flamme erstarb sofort. Endgültig kein Gas mehr. Ein
erneutes Erschauern und dann erfasste ihn ein eigenartiges Gefühl. Als wären irgendwo
in der Finsternis dieses unheimlichen Baus zwei Augen auf ihn gerichtet, als würde
sich irgendjemand in eine Ecke drücken und den Atem anhalten. John nahm das Feuerzeug
in die Linke und fuhr mit der Rechten in seine Innentasche – natürlich ohne seine
Pistole zu finden. Würde er jemals daran denken, sie einzustecken?
    Erneut ein
Geräusch.
    Das Knirschen
von Schuhsohlen auf staubigem Boden?
    Diesmal
hatte er sich nicht getäuscht, ganz sicher nicht. Instinktiv beugte er sich leicht
nach vorn, angespannt, der Mund trocken. Er merkte nicht, dass er sich auf die Unterlippe
biss – und im nächsten Moment ertönte das Trommeln von Schritten.
    John zuckte
so heftig zusammen, dass ihm das Feuerzeug aus der Hand glitt.
    Jemand rannte.
    Von ihm
weg? Oder genau auf ihn zu?
    Er stand
da. Wie festgewachsen.

6
Eine kalte Dusche
     
    Irgendetwas hatte ihn wieder hierhin
gezogen. Er betrachtete die Dächer der Stadt, die zu seinen Füßen lag, die Spitze
des Münsters als zentraler Blickfang, und seine Gedanken drehten sich, wie so oft,
unentwegt im Kreis. Kühler als an den vorangegangenen Tagen war es an diesem Morgen.
Der Nebel, der wohl von der Nacht übrig war, wehrte sich dagegen, von hier und da
aufwehenden Windschüben zerfetzt zu werden. Der Flügelschlag einiger Vögel ließ
die Ruhe beinahe noch eindringlicher

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