Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)
von
Ihnen?«
»Nee. Vorsichtige
Leute. Untertrieben ausgedrückt. Ohne Vorankündigung fuhr dieser Alex bei der Werkstatt
vor und nannte mir eine Adresse. Und da fand dann irgendeine Party statt. Manchmal,
wenn ich eine Reparatur erledigt oder einen Karren tiefergelegt hatte, durfte ich
umsonst rein. Das war immer in einem anderen Haus.«
»Du hast
also keine wirkliche Adresse von den Männern?«
»Habe ich
nicht, nee. Da fällt mir ein: Einmal musste ich einen Mercedes, dem ich mehr Feuer
eingebaut hatte, nach Herdern bringen.«
»Zu einer
Villa?«, tippte John.
»Was? Nee.
Da gibt es eine Tankstelle. Kurz vor der Eisenbahnbrücke. Und dahinter ist ein Supermarkt.
Ein Lidl. Dort sollte ich den Wagen einfach auf dem Kundenparkplatz abstellen und
verschwinden.«
John kannte
sowohl die Tankstelle als auch den Supermarkt. Über die Straße, nur 50 Meter weiter,
stand das Studentenwohnheim, das Felicitas Winters letzte bekannte Adresse war.
Wieder überfiel ihn dieser Gedanke, wieder nagte etwas an ihm: Irgendetwas hast
du übersehen ¼ Und plötzlich spürte John, wie ihn der Teufel ritt – ohne dass er
sich dagegen zu wehren vermochte. Er trat hinter Piet Eisenring. Es war beinahe,
als beobachte er sich wie einen vollkommen Fremden: Er sah sich selbst zu, wie er
seinen Arm anhob, nahm aus dem Augenwinkel das Entsetzen im Gesicht von Rainer Metzler
wahr, und auf einmal lag die Mündung der Pistole in Eisenrings Nacken.
»Auf die
Knie«, zischte John.
Eisenring
zuckte zusammen. »Mann, ganz ruhig, mach bloß keinen Scheiß.« Seine Stimme zitterte
gewaltig.
»Auf die
Knie!«
Eisenring
folgte der Anweisung. Sein Oberkörper bebte. »Mann, ich hab doch nix getan«, schluchzte
er.
John fühlte
die Angst, die nackte Angst, die den Mann ergriffen hatte, und er musste sich unwillig
eingestehen, dass er Mitleid mit dem widerlichen Burschen hatte. Doch ob widerlich
oder nicht – John hatte kein Recht, das zu tun, was er tat. »Eine letzte Frage noch«,
hörte er sich leise sagen.
Eisenring
hielt den Atem an. Er starrte auf den Boden, genau wie am Vormittag bei den Schrebergärten.
»Warum musste
Lady Butterfly sterben?«
»Ich weiß
es nicht.« Eisenring schluchzte. Tränen plumpsten auf die Erde vor ihm. »Mann, mach
bloß keinen Scheiß!«
»Warum musste
Lady Butterfly sterben?«
»Ich weiß
es nicht!« Diesmal war die Antwort ein richtiges Kreischen, laut und durchdringend.
*
Du hast schon wieder eine Straftat
begangen, sagte er sich und umfasste das Lenkrad fester. Ein flüchtiger Blick in
den Rückspiegel, als hätte er Zweifel, dass er noch der Alte war. Er hatte sich
völlig gehenlassen. Erst Amtsanmaßung als Kommissar Tappert und jetzt hatte er einen
Menschen mit einer Waffe bedroht. »Junge, reiß dich am Riemen!« Diesmal sagte er
es laut. Hing etwa sein ganzes Leben von dieser verdammten Detektei ab? Er hatte
nicht einmal einen Auftrag. »Oder etwa doch, Laura?«, fragte er wieder laut in das
monotone Motorengebrumm.
War sie
sauer auf ihn? Deshalb bisher kein Anruf von ihr? Hatte das letzte Gespräch alles
zerstört? Oder hatte es gar nichts gegeben, was kaputtgehen konnte? Was war er für
sie? John Dietz, lediglich ein Irrtum für eine Nacht, den man früher oder später
vergaß?
Bei der
Erinnerung an den Gesichtsausdruck, mit dem Laura seine Wohnung verlassen hatte,
fühlte sich John zusehends unwohler. Er fuhr die Sundgauallee entlang und versuchte,
seine Gedanken in andere Bahnen zu lenken, und kehrte so unwillkürlich zurück zu
Piet Eisenring. John hatte ihn und Metzler einfach zurückgelassen – nachdem er endlich
eingesehen hatte, dass er es zu weit getrieben hatte. Schnell war er davongegangen,
ohne nach Eisenrings verzweifeltem Aufkreischen noch ein Wort an die beiden zu richten.
Und sie waren sichtlich erleichtert, ihn verschwinden zu sehen. Eisenrings Antworten
geisterten unablässig durch Johns Kopf. Mojtovian. Wala. Alex. Ein schmales Männergesicht
mit kurzem Haarschnitt tauchte vor seinem inneren Auge auf. Dieser Alex. Er war
der Mann, den John bei Lauras Hotel und in Zähringen bemerkt hatte. Und wo noch?
Irgendwo.
Nachdem
er sich durch den Verkehr gekämpft und das Auto im Parkhaus abgestellt hatte, stärkte
er sich mit einem Döner bei Ali Baba. Sein Unterkiefer protestierte bei jedem Biss
voller Schmerz, aber der Hunger war stärker. Immer wieder ertappte er sich dabei,
wie er nervös aufs Handy sah, als wäre es möglich, den Rock’-n’-Roll-Klingelton
zu
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