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Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Schmetterlingstod: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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eine Idee.«
    Und tatsächlich,
der Mann folgte ihm, zögernd, tapsend, aber offensichtlich derart hilflos, dass
es ihn mit einer verrückten Erleichterung erfüllte, auf jemanden hören zu können.
    Nur 20 Minuten
später befanden sie sich in dem kleinen Lagerraum, der an die Küche des Krügle anschloss.
Günther, der Wirt, hatte erst reichlich erschrocken reagiert, als er sah, wen John
da im Schlepptau hatte. Doch John konnte die Situation rasch beruhigen – Günther
vertraute ihm und stellte sogar das Lager für die Unterredung zur Verfügung. John
lehnte am Türrahmen, Pavel, der Fremde, saß auf einem Hocker. Und Pavel, der Koch,
hockte auf zwei übereinander stehenden Weizenbierkästen. Die fremde Sprache erfüllte
das Zimmer, dessen Regale von Lebensmitteln überquollen, die keiner Kühlung bedurften,
vor allem Nudeln, die es fast immer in irgendeiner Variation als Tagesgericht gab.
Während der ältere Pavel berichtete, übersetzte der Koch für John, der aufmerksam
zuhörte.
    »Er heißt
Pavel Smolarek und arbeitet als Bäcker«, erklärte der Koch. »Er lebt in einer kleinen
Stadt in der Nähe von Prag. Seit drei Wochen ist er in Deutschland. Und er weiß
nicht mehr ein noch aus. Er ist am Ende.«
    »Frag ihn,
was er hier will«, warf John ein. »Frag ihn nach den Vorfällen in den Kneipen und
der Zeitung.«
    »Geduld,
John. Du siehst doch, dass er sich erst mal sammeln muss.«
    Smolarek
sprach weiter. Offenbar verstand er die deutsche Sprache bruchstückhaft, konnte
sich jedoch nicht in ihr äußern.
    »Er sagt,
dass er für den Schaden, den er angerichtet hat, aufkommen wird. Er hat Geld gespart,
er hat eine Frau und drei Töchter. Es tut ihm sehr leid, was er angerichtet hat.
Aber die Nerven sind ihm durchgegangen. Er hat es einfach nicht mehr ausgehalten.
Niemand half ihm. Er war bei der Polizei, er war bei dieser Zeitung. Keiner wusste
etwas. Also forschte er selber nach. Aber wieder: Niemand half ihm, niemand konnte
ihm eine Auskunft geben. Irgendwann sah er diese Stange im Straßengraben liegen.
Er nahm sie an sich. In seinem Kopf war nur noch Chaos, ein einziges Chaos.«
    »Aber warum
denn, Pavel?« Johns Neugier ließ sich nicht mehr im Zaum halten. »Frag ihn, warum.«
    Smolarek
fuhr fort, und der Koch übersetzte weiter. »Es geht um meine Tochter, sagt Herr
Smolarek. Sie ist in Prag an die falschen Leute geraten. Männer, die ihr einen Job
und viel Geld in Deutschland versprachen. Und das, obwohl sie nicht einmal Deutsch
kann. Ich riet ihr ab, mir kam das von Anfang an komisch vor. Doch sie hörte nicht
auf mich, sondern ging nach Frankfurt. Dort nahmen die Männer ihr ihre Papiere ab.
Sie verprügelten sie, setzen sie unter Drogen. Sie zwangen sie zur Prostitution.
Sie hielten sie wie eine Gefangene, wie ein Tier.« Der Tscheche redete immer schneller,
schaffte es aber, die Fassung zu bewahren. Allein das Flackern seiner auf einmal
blitzenden Augen verriet, was in ihm vorging. »Sie hat versucht, mit uns in Kontakt
zu treten, doch das war unmöglich. Sie durfte sich nicht einmal in der Nähe eines
Telefons aufhalten. Ja, sie war eine Gefangene.«
    Zum ersten
Mal entstand Stille in dem Lagerraum. Von der Gaststube drangen gedämpft Stimmen
und Musik zu den drei Männern.
    »Er und
seine Familie wussten deshalb nicht, wie schlimm es um sie stand, nehme ich an.«
John versuchte behutsam, den Faden wieder aufzunehmen.
    Eine Übersetzung
war kaum nötig. Pavel Smolarek nickte vor sich hin, ehe er weitersprach, die Worte
voller Schmerz aneinanderreihte.
    »Die Zeit
verging. Wir hörten nichts von ihr.« Wiederum war der Koch Smolareks deutsche Stimme.
»Woche für Woche, Tag für Tag, Stunde für Stunde lebten wir in Angst und Sorge.
Dann gelang es ihr, ein Handy zu stehlen. Sie rief uns an, erzählte von ihrem Martyrium.
Und ich denke, sie sprach nicht einmal alles an, was sie erlebte. Ich war am Telefon,
ich hörte ihre Stimme, und doch war es eine ganz andere Stimme als die, die ich
kannte. Sie sagte, sie sei sich nicht sicher, aber es gäbe ein Gerücht. Sie habe
es von einem der anderen Mädchen gehört. Es gibt nämlich noch andere osteuropäische
Frauen, die mit denselben falschen Versprechungen nach Deutschland gelockt worden
waren.«
    »Was für
ein Gerücht?«, fragte John, obwohl er sich vorgenommen hatte, nicht mehr dazwischenzureden.
    »Das Gerücht,
der große Boss, der über die Frauen befehligte, würde aus Frankfurt verschwinden.
Er hatte Ärger, der Boden unter den Füßen wurde

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