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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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kannst du die Hauptrolle nicht mit Julia Roberts besetzen. Vincent, Anthropologe und Fachmann für Kannibalismus, ist für die Romantik zuständig.
    Gut, gut, sagte Canning, da haben wir das richtige Team zusammen. Elaine hat die Handlung begriffen und Schmidt die Romantik darin gefunden. Was machen wir jetzt, Mike, Gil? Bitten wir sie, meinen Roman umzuschreiben, oder wollen Sie das selbst machen, Mike?
    Als er nach dem Dinner bei Mr. Mansour wieder zu Hause war, überlegte Schmidt, warum Canning sich die Mühe machte, diese Romane zu schreiben. Geld konnte nicht der Grund sein, Schmidt war sich ziemlich sicher, daß die Einkünfte eines Romanciers auf einem mittleren Listenplatz, selbst zusammen mit dem, was Caroline verdiente, für ihre Lebensweise nicht hoch genug waren. Sie lebten von der Pension, die ihm die Versicherungsgesellschaft zahlte, und von Ersparnissen. Was er schrieb, mußte wohl Leuten in einem kleinen Winkel der Erde gefallen, derenCharakter genauso abstoßend war wie sein eigener. Dann kam Schmidt eine interessantere Frage in den Sinn: Hatte Mr. Mansour womöglich auch Interesse an Elaine, und konnte er sie, wenn er Gil aus dem Weg schaffte, nach L. A. oder North Dakota schickte, ebenfalls haben, einfach so? Pas de problème! Sieh doch Caroline! Da saß sie, vollkommen gelassen, im besten Einverständnis mit dem ägyptischen Satan, nachsichtig ihrem Ehemann, diesem Schmock, lauschend.
    Unter dem Einfluß dieser Gedanken, die sein Verlangen nach Sex geweckt hatten, war sein Entschluß wankend geworden, stellte Schmidt fest. Es erschien ihm nicht mehr möglich, seelenruhig abzuwarten, daß Alice anrief. Er mußte die Initiative ergreifen. Sie nahm die Form eines kurzen Faxes an, das er an ihre Privatnummer schickte: Juni scheint schwierig für dich zu sein, aber wir haben schon fast Juli. Können wir uns dann sehen? An Wochentagen, Wochenenden, zu jeder Zeit, an jedem Ort. Am nächsten Morgen fand Schmidt überrascht und erfreut im Faxgerät in seiner Küche Alices Antwort: Schmidtie, mein Lieber, der 14. Juli, Tag der Bastille, ist ein Freitag. Hol mich weg von den verrückten Franzosen! Treffen wir uns am 13. in London und bleiben bis zum folgenden Montag. Ich bringe ein gediegenes Kleid mit, falls du beschließt, mich ins Theater zu führen. Ganz und gar Deine Alice. Faxe waren eindeutig das Medium der Wahl. Er schrieb zurück: Ich bin schon jetzt im siebten Himmel. Rendezvous am 13. im Connaught.
    Warum war er so sicher, daß er in diesem begehrten Hotel Unterkunft finden würde? Er hatte Vertrauen in Mr. Mansours Sekretärin. Für Alice und ihn würde Raum in dem Gasthaus sein, auch wenn alle Welt nach London käme, daß sie geschätzt würde.

XVI
    Noch dreieinhalb Wochen bis zum Rendezvous in London! So einsam, so ausgehungert nach Zuneigung war Schmidt noch nie gewesen, nicht einmal in den Wochen nach Marys Tod. Damals war er wie benommen gewesen von der langen Wache an ihrem Krankenbett und stumpfsinnig beschäftigt mit den unzähligen Arbeiten, die ein Nachlaßverwalter erledigen muß, auch wenn der Nachlaß so übersichtlich ist wie in Marys Fall. Nichtigkeiten fraßen Zeit, Zeit, die er andernfalls in Verzweiflung und Alkohol badend zugebracht hätte. Außerdem waren Charlotte und Jon jedes Wochenende im Haus. Zusammen mit Charlotte hatte Schmidt sich durch die schmerzvollste aller Aufgaben gequält. Bis auf die wenigen Dinge, die entweder Charlotte behalten wollte oder die den Damen der polnischen Putzbrigade willkommen waren, wurden Marys traurige, allein gelassene Kleidungsstücke – Unterwäsche, Oberkleider, Mäntel, Schuhe, die Liste intimer unnennbarer Gegenstände nahm kein Ende – zur Brockensammlung nach East Hampton geschafft. Marys Unterwäsche verbrannten sie, da die Brockensammlung sie nicht annehmen wollte. Außerdem war da noch Marys Toyota. Zuerst wollte Charlotte ihn haben und dann doch nicht. Nach einer Wartezeit im Straßenverkehrsamt von Riverhead, die ihm länger als ein Tag vorkam, konnte Schmidt den Wagen auf seinen Namen umschreiben lassen. Dann stellte er ihn in die Garage, um ihn nie zu benutzen. Die wirkliche Einsamkeit begann erst, als alle diese Arbeiten erledigt waren, als Charlotte an den Wochenenden ihre Gewohnheiten wiederaufnahm, Morgenläufe am Strandmachte wie früher und den Rest des Tages mit Jon hinter geschlossenen Türen verbrachte. Nur zum Frühstück, zu keiner anderen Mahlzeit waren sie bei ihm im Haus. Sie aßen allein oder mit Freunden

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