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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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davonkommen lassen würde.
    Die Abende in der Stadt waren genauso einsam. Der einzige W & K-Partner, mit dem er sich noch gut vertrug,war Lew Brenner, der ihm früher paradoxerweise nicht besonders nahegestanden hatte. Die Gäste, die Mary und er in der Stadt zu sich eingeladen hatten – Scharen mußten es gewesen zu sein –, nützten ihm auch nichts. Sie waren ebenfalls Marys Freunde gewesen. Und die anderen, die Mitstudenten aus dem College und der Law School, oder die leitenden Angestellten der Versicherungsgesellschaften, die seine Mandanten gewesen waren? Er hatte keine Lust, sie anzurufen, ihre überraschten Begrüßungsworte zu hören und zu verkünden: Hey, ich bin’s, Schmidtie, ich bin wieder da, wieder zurück von den Toten! Statt dessen ging er in die Kinos gegenüber dem Lincoln Center oder ins Ballett und aß anschließend einen Hamburger im O’Neal’s. Zum Abschluß der Opernsaison wurde Lohengrin aufgeführt. Er freute sich, daß er eine Karte bekommen hatte, und aß eingedenk seiner und Marys alter Gewohnheiten während der Pause im eleganten Opernrestaurant zu Abend.
    Deshalb war er erstaunt und zunächst erfreut, zu erfreut für seinen Geschmack, als er an einem Donnerstag abend spät wieder in Bridgehampton ankam und in der akkurat sortierten und gestapelten Post auf dem Küchentisch eine Einladung zur Feier des Vierten Juli fand, die am 3. Juli sein sollte, da der 4. ein Dienstag war, an dem Menschenmengen zurück in die Stadt strömen würden. Gastgeber war Bill Gibson, ein Literaturagent der Superklasse, berühmt dafür, daß er Verlegern in den USA siebenstellige Vorschüsse für seine Autoren abhandelte und in Europa zwar kleinere, aber immer noch umwerfende Summen, Vorauszahlungen für Bücher, die nicht immer entsprechende Einnahmen brachten. Schmidt erinnerte sich, daß er irgendwann einmal eine Art persönlicher Verbindung mit Gibson gehabt hatte. Damals, als sie sich mit einiger Wahrscheinlichkeit regelmäßig bei Literaturveranstaltungen begegneten, behandelte der Agent ihn weder wie Luft, noch vermied er Augenkontakt mit ihm, sondern zog ihn spontan ins Gespräch. Der Grund? Die Hochfinanz und finanzielle Kombinationen interessierten Gibson; nach seinem Eindruck war Schmidt der Schöpfer teuflisch komplexer Entwürfe, nicht nur ein Handwerker, der sie geschickt in Verträge umsetzte, was der Wahrheit näher kam. Aber seit er Gibson zum letzen Mal gesehen oder jedenfalls seit er sich zuletzt mit ihm unterhalten hatte, waren mindestens zwei Jahre vergangen, und er konnte sich nicht erinnern, nach Marys Tod je zu Gibsons Party anläßlich des Vierten Juli eingeladen worden zu sein. Diese Einladung war bestimmt ein Irrtum; eine Sekretärin hatte wohl eine alte Adressenliste verwendet, aus der Zeit, bevor Schmidts Name gestrichen wurde. Ein an Mr. und Mrs. Schmidt adressierter Umschlag würde das eindeutig verraten. Er fischte den Umschlag aus dem Papierkorb und stellte verwundert fest, daß er nur Mr. Schmidts Namen trug. Pech, er würde eine Absage schicken. Diesen Entschluß erläuterte er am nächsten Tag, als sie sich zum Lunch bei O’Henry’s trafen, Mr. Blackman, humorvoll, wie er glaubte, mit Anmerkungen über das automatische Funktionieren von Sekretärinnen in dieser Zeit der von Computern erstellten Listen und so weiter.
    Du spinnst, erwiderte Mr. Blackman, Paranoia im Anfangsstadium. Läßt sich heutzutage mit Medikamenten in niedriger Dosis bekämpfen. Ich habe Bill neulich getroffen, und er hat mir ausdrücklich gesagt, er hoffe, daß du kommst! Er weiß, daß der Kontakt abgebrochen ist, und möchte ihn wiederaufbauen. Elaine und ich gehen hin. Sollen wir dich mitnehmen?
    Ein solcher Vorschlag war in der langen Geschichte ihrer Freundschaft noch nie vorgekommen, er war Zeichen einer Fürsorglichkeit, die Schmidt auf die Frage brachte,ob Gil wirklich glaubte, er sei nicht ganz gesund. Aber nein, das war Unsinn. Er nahm das Angebot an und schaffte es, fast so dankbar zu klingen, wie er war.
    Gut, sagte Gil. Wir holen dich ab, es ist kein Umweg für uns. Sagen wir, um sechs.
    Es war angenehm, mit Gil und Elaine zu einer Party zu gehen. Wenn Anzahl und durchschnittlicher Wert der zu beiden Seiten der steinernen Torpfosten vor der Einfahrt geparkten Wagen oder die schwarzgekleideten Wachmänner, aus deren Ohren Drähte hervorkamen und die den Namen eintreffender Gäste auf einer Liste abhakten, oder die Tatsache, daß nicht einer, sondern gleich drei Dorfpolizisten den

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