Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
wenn er nicht Jason und Bryan im Weg stand. Aber dieser Aktivposten verlor sehr schnell an Wert, da sie im Frühherbst aus seinem Poolhaus ausziehen würden. Ohne Worte hatte er eine Abmachung mit Carrie getroffen: abwarten und Tee trinken. Jason sollte ruhig in Schmidts Küche kommen und erzählen, wie es mit der Marina lief – besser als erwartet – und wie sie mit der Renovierung des Hauses vorankamen, in das die junge Familie allzubald einziehen würde, aber Schmidt mußte sich nicht seinerseits auf den Weg zur Poolhausküche machen, um ein Bier mit Jason zu trinken. Die Folgen für die Zukunft, die diese Abmachung hatte, stimmten Schmidt traurig. Aber die Zukunft stand noch vor der Tür. Jetzt mußte er sich noch nicht damit befassen. Und sonst? Er konnte Gil und Elaine Blackmans und Mike Mansours Freundschaft in Anspruch nehmen. Wie oft durfte er denBlackmans zu verstehen geben, daß er Zeit für eine Verabredung zum Essen hatte? Wo waren die Grenzen von Mr. Mansours Geduld und Gastfreundlichkeit? Neuerdings kam es Schmidt so vor, als seien sie grenzenlos. Er staunte über sein Glück.
    Der wichtigste neue Aktivposten in seiner Bilanz war die Arbeit für die Stiftung, die er dienstags, mittwochs und donnerstags in New York erledigte. Er dachte daran, im Herbst noch den Montagnachmittag dazuzunehmen, obwohl er schon jetzt mit Shirleys Hilfe die Arbeitslast einer vollen Woche trug. Du hast soviel Mumm wie ein junger Partner von W & K, hatte Mike Mansour ihm gesagt, nicht wie ein kaputter Pensionär. Wäre er Sy, hätte Schmidt beim Hören dieses Kompliments geschnurrt. Er hatte nicht vergessen, was Carrie ihm über Mansours Kommentar berichtet hatte, nachdem Schmidt sich bereit erklärt hatte, für die Stiftung zu arbeiten: Schmidt kann es schaffen, aber vielleicht hat er sich an das Leben ohne Arbeit gewöhnt. Kann sein, daß er aufgibt oder so. Das hatte ihr natürlich Jason weitererzählt, und Schmidt fragte sich daraufhin, ob er sich nicht den Weg zu einem neuen Mißerfolg gebahnt hatte, als er die Stelle annahm, die Mike ihm trotz dieser offenkundigen Zweifel anbot. Wenn er in seinem Büro saß, mit den Leitern der Life Centers telefonierte und ihr exzentrisches Englisch in eine verständliche Sprache übersetzte, wenn er sich um die Korrespondenz kümmerte und von Mikes Wesir Holbein verhört wurde, vergaß er natürlich, daß er einsam war. Mittags aß er ein Sandwich in der Cafeteria der Stiftung oder an seinem Schreibtisch, aber häufiger ging er hinüber in seinen Club und setzte sich an den Mitgliedertisch. Dort wurde fast ständig über Dinge und Leute geschwatzt, von denen er nichts wußte. Gern hätte er die Horde junger Leute kennengelernt, sagte er sich, die in dem Gebäude, in dem dasBüro der Stiftung war, für Mansour Industries arbeiteten, aber er war zu dem Schluß gekommen, daß dies keinen Sinn hätte. Wenn er in Kontakt mit ihnen kam, wenn er zum Beispiel in der Schlange stand, um sein Sandwich zu kaufen, oder sich in der Cafeteria an einen Tisch mit ihnen setzte, nahm er zwangsläufig wahr, daß sie nicht das mindeste Interesse an ihm hatten, sich vielmehr wortlos fragten: Wer ist denn dieses Fossil? Richtig war auch, daß er die Sache, nachdem er die jungen Leute aus der Nähe betrachtet hatte, genausogern auf sich beruhen ließ. Abstand wahrte. Diese Trader und Buchhalter, Mike Mansours Erbsenzähler – Manager und Techniker von Unternehmen der Gruppe Mansour Industries waren in die Provinzen des Imperiums verbannt und traten selten in der Zentrale auf –, waren sämtlich junge Männer (denn die Mitarbeiterinnen aßen offenbar an ihren Schreibtischen) ohne Jacken, mit Kugelschreibern, die aus den Taschen ihrer weißen Hemden ragten, breiten Krawatten, die in der Mitte mit goldenen Nadeln an den Hemden befestigt waren, Handys, die in Gürteltaschen steckten und manchmal über Elektronik der einen oder anderen Art mit dem Ohr verbunden waren, mit lauten Stimmen und Akzenten, die weder nach Syosset noch nach Oyster Bay klangen, sondern nach Bezirken und Städten, die Schmidt eher selten aufsuchte. Aha! triumphierte Schmidts Gewissen. Gib’s doch zu und sag schon, es sind Juden! Sofort verteidigte Schmidt sich: Einspruch! Schmidtie ist kein Antisemit. Diese Kerle sind einfach unattraktive Streber, warum sollte er sie mögen! Und vielleicht stimmte das, aber Schmidt hatte Zweifel, ob Mr. Blackman im Richterstuhl den Angeklagten Schmidt freisprechen oder mit einer Verwarnung

Weitere Kostenlose Bücher