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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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seine Arbeit gründlich geprüft hatte. Er hatte nichts kritisiert, aber auch nichts gelobt. Hieß das, daß der Alte zufrieden war? Die Tatsache, daß er keines dieser Memoranden zur Überarbeitung an Schmidt zurückgegeben und auch keinen anderen Mitarbeiter mit Erfahrungen im Kartellrecht beauftragt hatte, ihm zur Seite zu stehen, deutete darauf hin. Aber möglich war auch, daß Mr. Wood ihm den entscheidenden Schlag erst versetzen würde, nachdem er das lange Memorandum gesehen hatte, das ganz unten in der Aktentasche lag. (Eine Hypothese zwischen diesen beiden Extremen: Vielleicht hatte man seine Recherchen und Schlußfolgerungen soweit ganz akzeptabel, aber auch mittelmäßig und einfallslos gefunden. Womöglich hatte er nicht weit genug gedacht. Er konnte nur Gesellenstücke liefern.)
    Sorgen und Selbstzweifel hatten Schmidt geplagt, seit er mit der Arbeit für W & K begonnen hatte. Abgesehen von drei oder vier Spezialisten für Treuhand- und Nachlaßfragen, die vielleicht anfangs ordentliche Arbeit geleistet, sich dann aber nach allgemeiner Meinung hatten gehenlassen, waren alle Partner und die meisten angestellten Anwälte so fähig und die Maßstäbe für die Arbeit dermaßen hoch, daß nur ein vernebelter Dummkopf frei von Schmidts Ängsten gewesen wäre. Bei W & K war es üblich, sieben Jahre nach dem Eintritt junger angestellter Anwälte zu entscheiden, ob man sie zu Partnern machte oder ihnen das Ausscheiden aus der Kanzlei nahelegte. Dieser Zeitpunkt war nun für Schmidt und andere Mitarbeiter gekommen. Natürlich müßten sie nicht sofort oder im nächsten Monat kündigen, eine Gnadenfrist wurde ihnen gewährt, aber die Strategie des Auf- oder Aussteigens wurde strikt angewendet, und mit jeder Woche, die verstrich, verschlimmerte sich die Lage eines übergangenen Mitarbeiters, der nicht befördert worden war. Bis er am Ende ging. Ging, um was zu tun? Was wurde aus ihm? Vermutlich fand er eine Anstellung bei einer anderen Kanzlei, oder vielleicht verhalfen W & K ihm zu einer Position bei einem Mandanten. In beiden Fällen war man sich stillschweigend darüber einig, daß es sich um einen Abstieg handelte. Die Aussicht, zu diesem Fegefeuer und der damit verbundenen Demütigung verdammt zu sein, machte Schmidt angst. Wie sollte er Mary oder, noch schlimmer, ihrer Tante Martha, die anscheinend eine unvernünftig hohe Meinung von den Fähigkeiten des Ehemanns ihrer Lieblingsnichte hatte, wie sollte er erklären, was geschehen war? Seinen Vater sah er zum Glück nicht oft. Aber früher oder später würde er es auch ihm gestehen müssen, und zwar am besten, bevor W & K die Namen der neuen Partner bekanntgaben und er selbst sehen würde, daß sein Sohn nicht zu den Auserwählten gehörte. Den mitleidigen Blick konnte man sich leicht vorstellen: So, so, das ist also mein Sohn, der feine Pinkel, der sich zu gut war für die Arbeit in meiner Seerechtskanzlei, und dabei hätte er diese Firma erben können! Schadenfreude würde sein Vater sich nicht gestatten, aber Schmidt würde sich auch so vor Scham winden. Wer weiß? Vielleicht bliebe ihm nichts anderes übrig, als demütig zum Vater zurückzugehen und zu fragen, ob in der Kanzlei, die er praktisch verschmäht hatte, doch noch Platz für ihn sei. Schmidt kannte sich gut mit Finanzierungen aus, und die Hälfte der Aufträge einer Kanzlei für Schiffsrecht hatte mit Hypotheken und Frachtverträgen zu tun. Die anderen Aufgaben – zum Beispiel, wie man die SS Boolah Boolah oder ein anderes glückloses Schiff, dessen Eigner einem Mandanten Geld schuldeten, in Singapore oder Panama City beschlagnahmen und versteigern ließ – konnte er lernen. Das Gespräch mit Mary würde auch kein Honigschlecken, nicht wegen der Dinge, die sie sagen oder tun mochte, sondern weil er dann der erfolglose Ehemann einer erfolgreichen Frau wäre. So hatte er sich seine Rolle nicht vorgestellt. In ihren ersten vier Ehejahren war sie Lektoratsassistentin gewesen. In einem wichtigen Verlag, sicher, aber trotzdem nur eine bessere Sekretärin. Jedoch weder ihre Schwangerschaft noch die Ankunft von Charlotte hatte ihr Weiterkommen verlangsamt. Sie brauchte zwei Jahre, bis sie Lektorin war, und Schmidt hatte den Eindruck, daß alle im Verlagsgeschäft meinten ihm ausdrücklich erklären zu müssen, sie sei ein Energiebündel. Das bezweifelte er nicht; außerdem profitierte sie von der Flutwelle der Frauenbefreiung.
    Und wie schätzte Schmidt selbst seine Meriten ein? Wenn er sich

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