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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Sozius Transaktionen von erstaunlichem Umfang bewältigt hatte. Nur an sein Geld und seinen Schick erinnerte sich dieses Wolfsrudel noch. Schmidt ging höchst verstimmt in sein Büro zurück und wollte schon DeForrests Nummer wählen und den Potentaten auffordern, ihm reinen Wein einzuschenken, merkte dann aber, daß er es nicht konnte. Der Groll gegen seinen einstmals besten Freund in der Firma saß zu tief;den Triumph, daß Schmidts hochgeschätzter Schützling beschlossen hatte, ihn im unklaren zu lassen, wollte er DeForrest nicht gönnen. Er legte den Hörer auf. Aus dem gleichen Grund: weil es ihn wurmte, keine Informationen zu haben, keine Andeutung, daß es ein Gesundheitsproblem gegeben habe, fragte er DeForrest fünf Jahre später nicht, woran Tim gestorben war, und er erkundigte sich auch nicht bei Lew Brenner, wofür es allerdings keinen Grund gab, außer daß es ihm nicht in den Sinn kam, weil er gerade Chef von Mike Mansours Life Centers geworden war und zuviel Arbeit hatte. Statt nachzufragen, schrieb er einen Brief an Alice Verplanck, in dem er seiner Traurigkeit und dem Gefühl freundschaftlicher Verbundenheit freien Lauf ließ. Ohne Zweifel wisse sie, daß Tim ihm von allen seinen Assistenten am liebsten gewesen sei, ein junger Anwalt, den er mehr bewundert habe als jeden anderen Mitarbeiter in seiner langen Karriere. Zufällig sei er im Aufbruch zu einer Geschäftsreise nach Ost- und Mitteleuropa und werde den Rückweg über Paris nehmen. Ob er sie besuchen dürfe? Ihre mit einem europäischen Expreßdienst versandte Antwort traf unmittelbar vor seiner Abreise ein. Darin stand ihre Telefonnummer, eine andere als die im Telefonbuch, und die Versicherung, daß sie ihn gern erwarte.
    Der alte Dexter Wood persönlich, seit dem Tod des anderen Firmengründers Alleinherrscher in der Kanzlei, hatte Tim angeworben. Bei mehr als einem Arbeitsessen hatte er die versammelten Partner daran erinnert, welch Musterexemplar der junge Mann sei und welch Glücksfall, daß man ihn für die Kanzlei habe gewinnen können – dank der diskreten Unterstützung seines alten Freundes Justice John Harlan, mit dem er vor Jahren Tennis gespielt und als Anwalt praktiziert hatte und für den Tim als Assistent arbeitete. Daß Verplanck sich für die Firma interessiere und der Justice ihn darin bestärke, sei ein deutliches Vertrauensvotum für W & K, sagte er dann mit erhobener Stimme. Niemand widersprach ihm. Offenkundig besaß Tim alles, alle Fähigkeiten, die ihn, wie die jüngeren Partner es nannten, zum Komplettpaket machten. Gutaussehend, herrlich schlank, trug er diskret maßgeschneiderte Anzüge und Hemden, die nicht laut herausschrieen, daß sie aus der Savile Row stammten, und war umgeben von einer Aura alten New Yorker Geldes. Als Collegestudent in Yale war er ein Star gewesen, und in der Harvard Law School hatte er ebenso geleuchtet, und ganz selbstverständlich folgten dann die besten Praktika, zuerst am Second Circuit in New York und dann bei dem Richter am Supreme Court, der wohl das Beste darstellte, was das juristische Establishment der Ostküste zu bieten hatte.
    Schmidt war damals gerade Sozius geworden. Die frohe Botschaft, daß er zum Partner ernannt worden sei, hatte ihm Dexter Wood am Tag vor Thanksgiving 1967 gebracht, knapp ein Jahr vor Tims Ankunft. Der alte Herr war in Schmidts Büro gekommen, hatte die Tür hinter sich geschlossen und dem jungen Mann, der sich eilends erheben wollte, bedeutet, er solle sitzen bleiben und weitermachen, das hieß, weiter die Dokumente in seine Aktentasche stopfen, die er nach Bridgehampton mitnehmen wollte, um sie am langen Wochenende zu bearbeiten. Unter diesen Papieren war ein Schriftsatz, den er entworfen hatte und am Montag Mr. Wood hatte unterbreiten wollen. Er machte sich Sorgen, denn er hatte noch nie unter unmittelbarer Aufsicht des alten Herrn gearbeitet oder ein Gutachten über komplexe, ihm nicht vertraute Kartellrechtsprobleme geschrieben, und in diesem Fall handelte es sich um die Legalität von Tarifabsprachen im Bahn-Güterverkehr, die Mr. Woods Lieblingsmandant – eine Produktionsfirma, deren CEO und Hauptaktionär sein Schwager war – über den Transport seiner Produkte zu den über das ganze Land verstreuten Käufern und Kaufhäusern getroffen hatte. Schmidt hatte schon mehrere vorläufige Memoranden über verschiedene Aspekte des Problems verfaßt und war in seinem Büro von Mr. Wood mit Fragen dazu traktiert worden, die zeigten, daß der Alte

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