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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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machte ihm Lust auf einen Hungerstreik. Erstaunlich, daß Mike geplant hatte, nur mit den beiden essen zu gehen. Hatte er etwa den Plan, Joe ein Schlafmittel in den Drink zu schütten und Caroline in sein Penthouse zu zaubern? Oder hatte er jemanden wie Holbein und seine Frau – eine Frau hatte Holbein doch wohl – zur Vervollständigung der Tafelrunde in Reserve? Eine Verbesserung wäre das in Schmidts Augen allerdings nicht.
    Ich würde sehr gern mitkommen, erwiderte er, aber der Jetlag wird mir bis dahin zu sehr zu schaffen machen. Heute sollte ich besser früh schlafen gehen. Wir holen es morgen nach.
    Wie du willst.
    Das sagte Mike Mansur gern, wenn man ein Angebot von ihm abgelehnt hatte, und fast immer waren diese Worte Vorboten einer schmerzhaften Vergeltung. So auch diesmal.
    Aber schade ist es. Ich habe dafür gesorgt, daß Enzo Errera und seine Freundin mit dabei sind, ich dachte, sie würden dir gefallen. Es wäre eine gute Gelegenheit für dich und Enzo gewesen, euch kennenzulernen. Danach könntest du dich mit ihm verabreden, wann du möchtest, ohne auf eine Einladung von mir zu warten.
    Wie ärgerlich recht er hatte! Schmidt hätte diese Gelegenheit gern genutzt, nicht nur, weil er den großartigen Pianisten bewunderte, sondern weil er allmählich mit dem Gedanken spielte, daß es gut wäre, einen Kreis von Freunden und möglichen Hausgästen zu haben, die Alice unterhalten könnten und ein Ausgleich für das wären, was ihr in Paris entginge, falls sein unglaubliches Glück vorhielt und sie wirklich zu ihm kam und mit ihm leben oder auch nur längere Zeit in Bridgehampton und New York zubringen würde. Gil Blackman und Elaine waren wunderbar, aber wer war sonst noch da? Niemand. Warum mußte sein Schicksal ihn immer zwingen, jedem Gaul ins Maul zu schauen, den der Finanzmagnat ihm schenken wollte, warum mußte er diesen Mann und seine Gaben immer unterschätzen und zurückweisen? Ein Rest dessen, was er sein gutes Benehmen genannt hätte, hinderte ihn daran, zu sagen, Ach, wenn das so ist, Mike, dann halte ich einen kurzen Mittagsschlaf, sobald ich zu Hause bin, und komme später zu euch ins Restaurant. Statt dessen sagte er: Ich hoffe, du gibst mir ein andermal eine neue Chance, sah zu, wie Mr. Mansour in seinen großen schwarzen Rolls stieg, winkte ihm zum Abschied und ging zu Fuß nach Hause. Acht Querstraßen, das machte einen Weg von zehn Minuten: Er konnte Alice noch erwischen, bevor sie schlafen ging. Aber sie meldete sich nicht. Er ließ das Telefon klingeln, bis der Anrufbeantworter sich einschaltete, und hinterließ eine Nachricht. Bitte ruf mich unter meiner New Yorker Nummer an. Die hatte er ihr aufgeschrieben, dazuseine Nummer auf dem Land, seine Handynummer und E-Mail-Adresse. Zur Sicherheit sprach er sie noch einmal Ziffer für Ziffer langsam aufs Band. Dann zog er sich aus und kroch unter die Bettdecke.
    Als er aufwachte, war es schon nach sechs Uhr – Mitternacht in ihrer Zeitzone. Sie hatte nicht angerufen. Er brühte sich eine Tasse Tee auf, rasierte sich, nahm ein Bad und wartete. Sieben Uhr – nichts. Ein kurzer Blick in die Fernsehnachrichten zeigte ihm, daß die Zahl der Todesopfer in Oklahoma City stieg. Sieben Uhr dreißig, und immer noch nichts. Sie hatte gesagt – in welchem Zusammenhang, wußte er nicht mehr –, daß Einladungen zum Abendessen in Paris spät begannen und sehr spät zum Ende kamen. Oft setzten sich die Leute nicht vor zehn Uhr zu Tisch. Trotzdem, daß sie um halb zwei Uhr morgens nicht ans Telefon ging, kam ihm merkwürdig vor. Als er ausgehfertig war, zeigte die Uhr schon kurz vor acht. Konnte es sein, daß sie nach Hause gekommen und schlafen gegangen war, ohne ihre Nachrichten abzuhören? Zu so später Stunde schien das nicht unmöglich, sie war wohl sehr müde gewesen. Er wußte, daß man das Telefon in Madame Laures Zimmer nicht hören konnte, wenn er also wieder anrief, würde er sie nicht stören. Wenn er Alice aus dem Schlaf holte, würde sie es ihm verzeihen. Er wählte die Nummer, wartete fünf, sechs Klingeltöne ab und legte dann auf. War sie vielleicht nach Antibes gefahren? Davon war nicht die Rede gewesen, aber womöglich war etwas passiert. Vielleicht war ihr Vater krank. Er ging in die Küche, goß sich einen Bourbon auf Eis ein und trank gierig. Im Schrank lagen Grahamkekse und Cashewnüsse, aber sonst nichts. Wenn er in seinem Club zu Abend essen wollte, mußte er sich beeilen. Der Himmel hatte sich bewölkt. Er nahm seinen

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