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Schmidts Einsicht

Schmidts Einsicht

Titel: Schmidts Einsicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Tonnen von Geld ging, die sie von ihm erhalten hatte? Was würde all das nützen?
    Ach du meine Güte, sagte er noch einmal. Darüber müssen wir nicht streiten, während ich deinen köstlichen Salat esse. Kaffee trinkst du wohl zur Zeit nicht?
    Sie schüttelte den Kopf.
    Wenn es dir keine Mühe macht, Kaffee zu kochen, hätte ich gern einen. Sehr stark und mindestens eine große Tasse.
    Bald danach machte er sich auf den Rückweg, den Schmetterling aus Gold und Lapislazuli behielt er in der Tasche. Er hatte sich entschieden: Sie sollte ihn haben, aber erst, wenn er seinen Enkel zum ersten Mal sehen würde.
    Als er in Bridgehampton ankam, war es schon nach sechs Uhr. Sy war im Haus; so sollte es auch sein; Schmidt hatte Bryan ans Herz gelegt, die Katzentür zu schließen, damit Sy nicht herauskonnte, wenn Bryan nicht da war, um auf Notschreie zu antworten. Daß Sy ihn aber dermaßen begeistert begrüßte, zeigte Schmidt, daß irgend etwas schiefgegangen war. Tatsächlich: Das Katzenklo, auf dessen Pflege sich Bryan viel zugute hielt, hatte keine frische Streu, und ganz ohne Frage war Sy ausgehungert. Eins nach dem anderen: Er hob den Kater hoch und versicherte ihn seiner Zuneigung, fütterte ihn und kümmerte sich dann um die Katzenstreu. Dankbares Schnurren belohnteihn, er öffnete die Katzentür und sah zu, wie Sy unendlich umsichtig in den Garten verschwand.
    Erst dann warf er einen Blick auf seinen Anrufbeantworter. Das rote Licht blinkte. Er drückte auf den Wiedergabeknopf. Jasons unverkennbare jungenhafte Pfadfinderleiter-Stimme meldete, daß Carries Fruchtblase geplatzt war, früh am Morgen, als sie noch im Bett lag; die Wehen hätten ein paar Stunden später eingesetzt; er habe sie nach Southampton in die Klinik gebracht. Die Nachricht war um zwanzig nach zwölf gespeichert worden, während er in Charlottes Küche saß und seinen Gin-Tonic trank. Wahrscheinlich ist er noch in der Klinik, dachte Schmidt. Jasons Handynummer steckte an der Pinwand in der Küche. Nichts. Als nächstes versuchte Schmidt, Bryan anzurufen, und erreichte ihn. Carrie ist seit heute mittag in dem Zimmer, wo sie untergebracht werden, wenn sie Wehen haben, sagte Bryan. Jason ist meistens bei ihr. Sie macht es richtig gut. Er habe zurück zur Marina fahren müssen, um den beiden anderen Jungs zu helfen, wolle Jason jetzt aber Gesellschaft leisten.
    Schmidt dachte nach. Habt ihr etwas gegessen, du und Jason?
    Ja, er habe eine Pizza mitgebracht und ein paar Dosen Bier, und sie hätten hinten auf dem Laster gegessen.
    Ich frage mich, ob ich zu euch kommen soll, sagte Schmidt. Jason wird dableiben wollen, bis das Baby geboren ist, aber ruf mich bitte jederzeit an, wenn es etwas Neues gibt, und auch, wenn du zur Marina zurückmußt. Ein erstes Kind kann sich viel Zeit nehmen, bis es herauskommt. Also ruf mich auf jeden Fall an. Ich gehe nirgendwohin, und es macht mir nichts aus – wirklich nichts –, wenn du mich weckst. Also, wenn es irgendwas Neues gibt oder du oder Jason Ablösung braucht, ruf mich an. Verstanden?
    Allmählich war Schmidt klargeworden, daß er nicht aus seiner jetzigen Rolle fallen durfte. Und welche Rolle war das? Carries ehemaliger Liebhaber – aber das war Bryan auch – und ihr und Jasons Freund und Wohltäter. Das war alles. Daß er Carrie eine ansehnliche Mitgift gegeben hatte, änderte nichts daran. Nein, ihr Vater war er ganz sicher nicht. Paradox war, daß er sie jetzt väterlich liebte. Die Erinnerung an den Sex mit ihr – die Ekstase, die ihn in solche Höhen katapultiert hatte, daß er sich wie umgewandelt vorkam – war immer noch lebendig und würde wohl nie verblassen. Zugleich hatte er das sichere Gefühl, daß er vor dem Tabubruch zurückschrecken würde, falls sie mit ihm allein wäre und ihm auf eine der zahllosen Weisen, die ihr Geheimnis waren, ihre Lust auf ihn signalisieren sollte. Mit einem Wort: Er würde mit ihr sowenig schlafen wie mit Charlotte. Die Liebe zu seiner Hekate war väterlich geworden. Die andere, herzzerreißende Seite der Paradoxie sah er voraus: Seine Zauberin mit der olivfarbenen Haut, deren Körper er mit solcher Leidenschaft und Liebe erkundet hatte, würde eine bessere Tochter für ihn sein als Charlotte, so wie er ihr besserer Vater sein mochte. Ja, Bryan als Jasons Freund und Geschäftspartner hatte einen Platz in der Klinik, er jedoch nicht. Für ihn war es an der Zeit, auf Abstand zu gehen. Es sei denn, etwas Schlimmes ergab sich, eine Änderung in Carries Zustand oder

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