Schmidts Einsicht
Stanley und ähnlichen Firmen und genauso schwul wie Bruno sind. Oder Juden wie ich!
Er hielt inne, offenbar in der Erwartung, Schmidt würde etwas sagen. Als er merkte, daß Schmidt bei seinem Schweigen bleiben wollte, fuhr Lew fort: Was du im Bett treibst, macht dich beim Organisieren von Fusionen und Übernahmen weder besser noch schlechter, das ist der Punkt.
Ja, sagte Schmidt, nur daß es sehr schade für das Pariser Büro ist.
Ich versuche, mich einzuschalten, sagt Lew. Bruno ist sehr differenziert. Er durchschaut Hugh und nimmt ihm seine Reaktion nicht übel. Er weiß, daß sie kulturell bedingt und unwillkürlich ist. Ich frage mich, wie sich dies auf die Mandanten auswirkt und wie man sie überzeugen kann, bei uns zu bleiben, obwohl Tim nicht mehr da ist. Das wäre einfacher und selbstverständlicher, und Bruno würde es gern übernehmen, wenn er und Hugh sich besser verstünden.
Natürlich, sagte Schmidt. Übrigens habe ich Alice wiedergesehen, als ich in Paris war.
Er hatte es gesagt! Nur um den Boden für diese Mitteilung zu bereiten, hatte Schmidt über den jungen Macomber geredet. Er wollte nicht, daß ihr Name plötzlich fiel, wie aus heiterem Himmel.
Du könntest deine Zeit viel schlechter nutzen, sagte Lew und trank Schmidt zu. Sie ist eine schöne Frau.
Ja.
Wenn sie frei ist, wäre sie perfekt für dich, Schmidtie. Sie würde dich verstehen, sie würde zu dir passen. Du könntest stolz auf sie sein.
Ich bin fünfzehn Jahre älter!
Wenn du das sagst. Ich habe nicht nachgerechnet, aber ich glaube nicht, daß es etwas ausmacht. Du bist gesund, man sieht dir dein Alter nicht an, und du führst ein interessantes Leben – besonders jetzt, da du Mike Mansours Stiftung leitest. Ich würde ernsthaft darüber nachdenken, vorausgesetzt, wie gesagt, sie ist frei.
Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß sie nicht frei ist, aber wie soll ich das wissen! Ich hoffe, sie wiederzusehen, wenn ich nächsten Monat in Paris bin.
Gute Idee, erwiderte Lew. Tina und ich sind dann auch eine Woche lang dort. Wenn es um die gleiche Zeit ist, sollten wir vier uns mal zum Abendessen treffen.
Den Weg nach Claverack hatte Schmidt noch ungefähr in Erinnerung. Vor Charlottes Geburt waren Mary und er gelegentlich übers Wochenende nach Tanglewood zu Konzerten gefahren und über Nacht entweder bei einer von Marys Radcliffe-Freundinnen geblieben, die mit einem Architekten verheiratet war und ein Haus in Hillsdale hatte, knapp westlich der Grenze zu Massachusetts und 39 Kilometer von Lenox, oder sie hatten in GreatBarrington bei einem W & K-Sozius übernachtet, einem Prozeßanwalt, für den Schmidt eine Reihe von Memoranden geschrieben hatte. Von dessen Domizil aus brauchten sie nur eine halbe Stunde bis Tanglewood, von Hillsdale dauerte es eine ganze, und die Besuche in Great Barrington waren wahrscheinlich gut für Schmidts Karriere, aber sie machten wenig Vergnügen. Der Anwalt hatte in Leih- und Pachtverhandlungen als FD Roosevelts Beauftragter fungiert und war überzeugt, daß eine Arbeit im Dienst der Regierung für brillante junge Anwälte unumgänglich sei. Offenbar hielt er Schmidt für einen solchen und erklärte ihm und Mary, daß Schmidt sich unbedingt für ein paar Jahre von den Fesseln der Kanzlei befreien und für das Wohl des Landes arbeiten müsse. Unbedingt, sagte er, und sei es auch nur, um sich einen Nachruf in der New York Times zu sichern! Der Anwalt hatte gut reden: Er war mit einer reichen Frau verheiratet. Schmidt nicht; Mary hatte gerade eine Stelle als Redaktionsassistentin angenommen und verdiente so gut wie nichts. In Hillsdale predigte ihnen niemand: Marys Freundin war eine hervorragende Köchin, die anderen Hausgäste ungefähr im gleichen Alter wie die Gastgeber und die Schmidts, und am Samstag, wenn es kein Nachmittagskonzert gab, ließen sie alle auf dem schönen Feld hinter dem Haus, das auf einer Felskuppe stand und deshalb selbst an schwülen Sommertagen von einer leichten Brise umweht war, die kunstvollen Drachen des Architekten steigen. Der Anwalt starb, zwei Jahre nachdem Schmidt zum Sozius ernannt worden war, und wurde in der Presse wie eine Berühmtheit behandelt; die hervorragende Köchin und der Architekt ließen sich scheiden. Das Haus in Hillsdale wurde verkauft, und den Architekten sahen Schmidt und Mary nie wieder. Die Köchin besuchten sie noch, bis sie wieder heiratete und nach Oregon zog, wo sie ein Restauranteröffnete und an Krebs starb wie Mary, allerdings schon ein
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