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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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sprich zu mir!« sagte er. »Erzähle mir von dir!« Er kicherte; und dieses Geräusch kam ihm am allerschlimmsten vor; denn es sagte ihm, wie nahe er tatsächlich daran war, den Schalter zu betätigen. Vielleicht müßten sie den Brief, den er auf seinem Nachrichtenfach hinterlegt hatte, nicht erhalten und lesen. Er konnte Clares Gesicht sehen, wie sie trauerte. Der Schmerz tat ihm weh.
    Williams Gesicht, zarte fünf Jahre alt, rein und übermütig.
    Was würde er von sich denken, falls er deaktivierte?
    Seine Karriere könnte sowieso zu Ende sein. Er wäre angesichts feindlicher Aktion zurückgewichen und hätte ihre ganze Verteidigungsbemühung aufs Spiel gesetzt. Andere hatten ihre Karrieren und vielleicht ihr Leben riskiert. Rogers wollte gerade jetzt nicht darüber nachdenken, wie viele Soldaten aller Ränge mitgeholfen hatten, diese Waffe zu beschaffen, und wie sie sich in diesem Moment vorkommen müßten: mögliche Verräter, Gesetzesbrecher, Hasardeure, die dem Präsidenten zuwiderhandelten. Meuterer, Rebellen.
    »Verdammt, du kennst uns so gut«, sagte er zur Finsternis. »Du hast uns ganz lässig hin und her gescheucht; und jetzt glaubst du, uns wieder erwischt zu haben.« Keine Antwort.
    Das Schweigen des tiefen Weltraums. Ewigkeiten.
    Zwölf Minuten.
    Wie oft würde seine Hand noch hingreifen auf Verlangen des Körpers, und wie oft würde etwas Undefinierbares sie zurückziehen?
    »Ich werde es nicht anrühren. Komm her und entschärfe es selber! Vielleicht will ich keinen Kampf heraufbeschwören. Vielleicht haben wir jetzt etwas gemein!«
    Er atmete übermäßig. Er faltete die Hände vor dem Mund und versuchte, jeden Atemzug noch einmal einzuziehen und seine hektischen Lungen zu beruhigen. Erforderte die Beurteilung von Mut und Wert seines Selbst den Anschein von Adel, oder genügte eine einzige Handlung? Wenn er nach Ablauf der – er sah nach – elf Minuten auf dem Boden saß, als schreiender und weinender Verrückter, der nur imstande war, seine Finger vom Schalter fernzuhalten – würde er dann immer noch in die Walhalla der Armee eingehen und mit allen toten Helden einen trinken können? Wasch dir diesen Gestank der Furcht ab, Soldat!
    Ihn verlangte nicht nach Walhalla. Er wollte Clare und William. Er wollte mit mehr Worten Abschied nehmen, als er in den Brief gelegt hatte. In Person.
    »Bitte, Gott, laß mich ruhig sein!« sagte er mit heiserer Stimme. Er legte seine Hände zu einer Geste des Gebets zusammen, kniff sich mit den Zeigefingern in die Nasenspitze und schloß die Augen. Es wäre wohl leichter gewesen, wenn er eine Pistole mitgebracht hätte. »Jesus Jesus Jesus Christus!«
    Laß mich dies nicht vermasseln. Lieber Got, halte meine Hand von dem Schalter fern. Schlag sie wieder schlag sie wieder in die Fresse. Gott, ich weiß, daß du nicht parteiisch bist, aber ich bin ein Soldat und dies muß ich tun. Kümmere dich um sie, unser aller Gott, und hilf uns unsere Heimatwelt zu retten. Möge dieses kümmerliche Etwas Gott wohlgefällig sein.
    Neun Minuten. Er kroch wieder durch den horizontalen Tunnel und sah, daß der Pfropfen noch an Ort und Stelle war. Um sich zu vergewissern, daß er massiv war, sprang er die drei Meter hinunter und landete mit beiden Füßen auf der grauen Fläche. Er beugte die Knie, um den Stoß abzufangen und stemmte Ellbogen und Unterarme gegen die Kaminwand. Massiv. Er stampfte einige Male darauf. Nichts. Wegen seiner gequetschten Fersen verzog er das Gesicht. Dann stemmte er sich fest, kroch aus dem Schacht und begab sich wieder in die Vorkammer.
    Er zwang sich, dem Affen nicht mehr als auf zwei Meter nahe zu kommen.
    Ein anderer Ausweg.
    Nicht wahrscheinlich.
    Wie du mir, so ich dir.
    »Was machst du? Willst mehr über uns erfahren, ein anderes Experiment anstellen? Soll ich oder soll ich nicht?« Er stand am Rande der Vorkammer und schwenkte seine Lampe über die matt glänzenden Facetten der Kathedrale. »Ich kann aus all dem keinen Sinn gewinnen. Warum bist du hergekommen? Warum kannst du nicht einfach weggehen und mich mit meiner Frau und Familie in Ruhe lassen?«
    Jetzt war genug geredet worden. Das war ein feiner Schluß für alles, was er je gesagt hatte. Keine Worte mehr, schwor er sich. Er brach dieses Gelübde sofort. Wenn er kleine Gelübde brach, half ihm dies, das große zu halten.
    »Warum sprichst du also nicht? Ich werde den Schalter nicht anrühren. Ich werde nicht da sein, um es irgend jemandem zu erzählen. Sprich zu mir, zeig mir, was du

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