Schmiede Gottes
ging über einen in der Mitte gelegenen Platz zu einem Imbißladen. Er bestellte ein Sandwich mit geräuchertem Truthahn und Coca Cola. Fünfundzwanzig Minuten. Auf einem hohen Stuhl an einem winzigen Tisch sitzend zwang er sich, das ganze Sandwich zu essen.
Brot. Mayonnaise. Ein Geflügelgeschmack nach Truthahn unter einer Schicht Pastrami. Solide, aber nicht überzeugend. Er zog ein Gesicht und schob sich das letzte Stück Brot in den Mund.
Für einen Augenblick, aber nicht länger, hatte er das Gefühl, in einen spirituellen Graben zu rutschen, eine kleine Gosse der Verzweiflung. Einfach nachzugeben, aufzugeben, die Arme der Dunkelheit zu öffnen, alle Verantwortung auf das Land, auf Weib und Kind abzuwälzen, auf sich selbst. Das Spiel beenden: War das alles – nein? Diesen Stein vom Brett nehmen, warten, bis es wieder reingefegt wurde und ein neues Spiel aufgestellt war. Ruhe. Seltsamerweise gewann er, als er aus der Gosse herauskam, Mut und Stärke aus dem Gedanken, daß sie in der Tat hinweggefegt werden würden und er dann ruhen könnte; und es wäre ein Ende. Drollig, wie der Verstand arbeitet.
Um zwei Uhr fünfzehn stand er am Flugsteig, zusammen mit einer Schar wartender Freunde und Familien. Die offene Doppeltür brachte Geschäftsleute und Frauen in knappen grauen und blauen Kostümen und jenem Anflug von schimmerndem Blau, das gerade so sehr in Mode war; Francine bezeichnete es als Pfauenaugen. Drei kleine Kinder, die sich an den Händen hielten, und danach eine Frau in einem knielangen schwarzen Rock und einer strengen weißen Bluse. Dann kam Harry mit einem Lederkoffer. Er sah hagerer, älter und müde aus.
»All right«, sagte Harry, nachdem sie sich umarmt und die Hände geschüttelt hatten. »Du hast mich für maximal achtundvierzig Stunden. Danach wollen die Ärzte mich wiederhaben, um noch mehr Nadeln stumpf zu machen. Jesus, du siehst ebenso schlimm aus wie ich!«
In dem kleinen Dienstwagen, der sich durch das Labyrinth eines Parkhauses aus Beton quälte, erläuterte Arthur die Umstände ihrer Zusammenkunft mit dem Präsidenten. »Schwartz bekam eine halbe Stunde Platz in Crockermans Terminplan. Es wird sehr knapp. Er soll heute abend zu einer Schlußveranstaltung für die Wahl in New Hampshire sein. Hicks, du und ich werden im Oval Office bei ihm sein – ungestört für diese halbe Stunde. Wir werden tun, was wir können, um ihn zu überzeugen, daß er unrecht hat.«
»Und falls nicht?« fragte Harry. Waren seine Augen heller geworden? Sie schienen jetzt weniger braun als vielmehr gelblich zu sein, fast ausgeblichen.
Arthur konnte nur die Achseln zucken. »Wie fühlst du dich?«
»Nicht so schlecht, wie ich aussehe.«
»Das ist gut«, sagte Arthur und bemühte sich, das anonyme Etwas in seiner Kehle zu beruhigen. Er lächelte Harry matt zu.
»Danke!« sagte Harry. »Ich habe wenigstens eine Entschuldigung. Wird sonst noch jemand dabei aussehen wie ein Komparse in einem Vampirfilm?«
»Was wiegst du jetzt?« fragte Arthur. Der Wagen kam in wässeriges Sonnenlicht hinaus. Es drohte zu schneien.
»Ich habe wieder mein Kampfgewicht. Ich wiege soviel wie damals auf der Hochschule, am Tage der Graduierung.«
»Wie lautet die Prognose?«
Harry verschränkte die Arme. »Der Kampf dauert noch an.«
Arthur sah ihn an und fragte mit Spätzündung: »Ist das ein Vorwurf?«
»Du hast es erraten«, sagte Harry. »Genug von diesem Scheiß! Erzähl mir über Ormandy!«
Die breite Doppeltür zum Oval Office öffnete sich, und drei Männer kamen heraus. Schwartz nickte ihnen zu. Arthur erkannte den Vorsitzenden der Staatlichen Kommission zur Überwachung des Wertpapier- und Wechselhandels und den Finanzminister.
»Eine Dringlichkeitssitzung«, murmelte Schwartz, nachdem sie vorbeigegangen waren. Hicks hob fragend eine Augenbraue. »Sie überlegen, ob sie Abschnitt 4 des Bankgesetzes für Notfälle und Abschnitt 19a des Gesetzes über Wertpapier- und Wechselhandel in Kraft setzen sollen.«
»Worum geht es dabei?« fragte er.
»Zeitweilig die Banken und die Börsen schließen«, sagte Schwartz. »Wenn der Präsident seine Rede hält.«
Nancy Congdon, die Sekretärin des Präsidenten, kam an die Tür und lächelte den vier Männern zu. »Nur ein paar Minuten«, sagte sie und schloß ohne ein weiteres Wort die Tür vor ihnen.
»Brauchen Sie einen Stuhl?« fragte Schwartz Harry. Der schüttelte ruhig den Kopf. Er hatte sich schon daran gewöhnt, daß die Leute um ihn bemüht waren. Er
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