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Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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in Ohio lag friedlich unter einer alten Schneedecke, von der ein Teil noch sauber war, ein Teil aber in schmutzigen Reihen mit schwarzen Flecken an den Straßenseiten zusammengeschoben war. Kahle Bäume ragten in die gelbliche Dämmerung, und Böen eines scharfen kalten Windes sprangen wie unsichtbare Hunde um ihn herum – erfreut, dich zu sehen und hier zu haben. Reuben klemmte sich die beiden Bibliotheksbücher unter den Arm, eines zur Vorbereitung auf eine Beamtenprüfung für den Postdienst, eines mit den Kurzgeschichten von Paul Bowles. Reuben, der als junger Teenager gern ein Muslim gewesen wäre – sehr zum Entsetzen seiner Mutter –, hatte sich der Volksweisheit Afrikas und des vorderen Orients zugewandt. Bowles begeisterte ihn sogar noch mehr als Doughty oder T. E. Lawrence.
    Reuben hatte die Oberschule vor einem Jahr verlassen, um zu arbeiten. Seine formale Ausbildung war ordentlich gewesen; aber seine Intelligenz war, wenn sie sich auf etwas konzentrierte, eine verzehrende und fast erschreckende Sache. Wenn Reuben Bordes auf eine Frage oder ein Buch oder ein Thema stieß, das ihn interessierte, dann verhärtete sich sein kurzes breites Gesicht mit einer angespannten, starren Miene, und seine Augen weiteten sich, bis man meinte, sie würden aus den Höhlen fallen.
    Er war hochgewachsen und kräftig und fürchtete niemanden. Seine Marschroute durch die dunkel werdenden Straßen, zwischen den schmutzigen Backsteinhäusern und über lange schmale Zuliefergassen hinter Geschäften, hatte er nicht der Kürze wegen oder mit Überlegung ausgesucht. Es war wichtig, daß er zu seinem Vater kam; aber er empfand die Intensität des Schmerzes nicht so stark wie zu Hause.
    Als er die halbe Strecke zurückgelegt hatte, sah er im Schatten hinter einer Mülltonne ein silbriges Schimmern. Er ging weiter und drehte dabei den Kopf, in der Meinung, es wäre nichts weiter als eine zerbrochene Flasche. Aber der Schimmer hielt an. So ging er zu der Mülltonne zurück und schaute in den Schatten. Da lag ein glitzerndes, spielzeugartiges Ding, vielleicht der zerbrochene Roboter eines Kindes, auf einem braunen undeutlichen Klumpen. Er sah genauer hin.
    Das Spielzeug saß auf einer toten Maus oder kleinen Ratte. Ganz langsam hob es eines von sechs blanken, gelenkigen Beinen und senkte es dann wieder. Das Bein durchstieß die Haut des Nagetiers.
    Reuben stand auf und wich zurück. Es war fast Nacht um ihn.
    Die Art, wie die Spinne, oder was immer es war, ihr Bein gehoben hatte – mit der Präzision eines Uhrwerks, einer öligen Glätte –, erschreckte ihn. Das war kein Spielzeug. Es war auch kein Insekt. Es war etwas von der Gestalt einer Spinne, aus Metall hergestellt, und es hatte eine Maus gefangen und getötet.
    Mit langsamer Grazie stieg die Spinne von der Maus herunter und wandte sich Reuben zu, zwei Vorderbeine hoch erhoben, als ob sie sich wehren wollte. Reuben drängte sich rückwärts gegen einen rohen Bretterzaun, etwa drei Meter entfernt und sechs Meter abseits der Straße. Er schaute nach links und war bereit wegzulaufen.
    Da blitzte auf den Zaunlatten hinter ihm Silber auf. Reuben schrie und stieß sich mit Armen und Schultern ab, aber das Leuchten kam hinterher und setzte sich auf seine Schulter, wo er es nicht deutlich erkennen konnte. Er wischte es fort und fühlte, wie schwere, Widerstand leistende, scharfe Beine sein Hemd losließen. Die Spinne fiel in den Matsch mit einem Klatschen und bleiernem Plumps.
    »O Jesus, Hilfe!« schrie Reuben. Auf der Straße hinter der Gasse waren keine Fußgänger. Ein Wagen fuhr vorbei, aber der Fahrer hörte ihn nicht. »Hilfe!«
    Er lief. Zwei Spinnen gerieten ihm in den Weg, und er versuchte anzuhalten. Seine Füße glitten in einem Fleck nassen Eises aus. Er fiel in dem Dreck und Matsch auf den Rücken. Stöhnend und atemlos rollte er sich herum und hob den Kopf. Eine Spinne wartete mit erhobenen Vorderbeinen keine dreißig Zentimeter entfernt vor seinem Gesicht. Zwischen den Beinen, wo ihre Augen hätten sein können, verlief eine schmale, grün leuchtende Linie. Ihr Körper war glatt und hatte die Gestalt eines länglichen Eies. Die Beine waren fein wie Schmuckstücke.
    Kein Scherz.
    Niemand stellt solche Dinge her.
    Er sah sich dem Ding gegenüber. Sein Atem ging in langen Stößen, seine Arme schmerzten von dem Sturz. Irgend etwas bewegte sich leise kneifend über seinen Rücken, und er konnte nicht hinauflangen, um es zu packen oder abzustreifen. Er konnte auch nicht

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