Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
er eines Tages allerdings den Preis verlangt.
Es beginnt mit der Gratulation zum Geburtstag, der SMS, wie brillant der Auftritt gestern Abend im Fernsehen gewesen sei, oder der Zusendung eines, natürlich seines, Buches, mit einer zu Herzen gehenden Widmung. Manchmal warnt er auch vor intriganten Umtrieben, von denen er gehört haben will. Er sieht sich bald als Freund und Vertrauter.
Eines Tages jedoch ändert sich der Ton. Denn der trickreiche Schleimer ist unter Druck und in Eile. Er braucht unbedingt einen Sprecher für das Zitat, das er sich ausgedacht hat. »Könnten Sie nicht fordern, dass der Pfleger von Knut heilig gesprochen wird?« - mit solchen oder noch absurderen Anfragen schlägt man sich dann herum. Der Parlamentarier kann sich in etwa denken, was passiert ist. In seiner Redaktion hat der trickreiche Schleimer eine dolle Story angekündigt, die von der Realität offenbar nicht ganz gedeckt wurde. Nun herrscht Hektik. Der Journalist will seine Geschichte retten. Und braucht einen Politiker, der seine krause These stützt.
Beim Politiker rattert das Gedächtnis. Wie wichtig ist dieser Mensch? Kann man das gewünschte Zitat auf eine erträgliche Dosis herunterhandeln? Was geschieht, wenn man sich verweigert? Der trickreiche Schleimer würde nie damit drohen, dass mangelnde Kooperation womöglich Konsequenzen hätte. Er ist schlau genug zu wissen, dass der Politiker dies ohnehin längst kapiert hat. Und er weiß auch: Wenn man diesmal verweigert, ist man halt beim nächsten Mal dran, und dann richtig.
Als Politiker muss man sich entscheiden, ob man solche Spiele mitspielt. Kurzfristiger Nutzen steht langfristigen Kollateralschäden gegenüber. Will ich eines Tages als die Abgeordnete gelten, die jeder Volontär anrufen kann, weil man noch den verrücktesten Stuss fürs Sommerloch liefert, dass zum Beispiel Mallorca das 17. Bundesland sei oder Münzen aus Gewichtsgründen abgeschafft werden sollten? Keine schöne Perspektive. Also allenfalls dosierte Kontakte mit dem Typus des Schleimers.
Und dann gibt es da noch Typ 3: Der Kompetente
Ein Journalist, der erstens sein Handwerk versteht, zweitens fair und drittens womöglich sogar noch angenehm im Umgang ist. Der Kompetente ist meist unaufdringlich, souverän und uneitel. Je atemloser die unentwegte Hatz nach Neuigkeiten tobt, desto wichtiger werden die Leitartikel, oft auch Beiträge im Feuilleton der großen Zeitungen oder die Kommentare in Radio- und Fernsehprogrammen. Da wird eingeordnet, dahinter geguckt, manchmal fehlinterpretiert, aber fast immer Lehrreiches produziert. Es gibt sie tatsächlich, die wichtigen Geschichten, die sogar uns Politikern noch neue Gedanken, Reflexionen und Einsichten bringen, manchmal auch von einer Seite, von
der wir es gar nicht erwartet hätten. Erkenntnisgewinn ist tatsächlich möglich, sogar durch Journalisten. Mag unser Verhältnis bisweilen auch gespannt sein, zerrüttet ist es nicht.
DIE AUTORIN
Julia Klöckner (geb. 1972 in Bad Kreuznach) ist Mitglied im Fraktionsvorstand und Verbraucherschutzbeauftragte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Rheinland-Pfalz. Die gelernte Journalistin und studierte Theologin leitet zudem die Zeitschrift Sommelier Magazin .
DR. SILVANA KOCH-MEHRIN
Die Nachrichtenratte - Hans-Martin Tillack
Politische Institutionen, politische Parteien haben ein Gedächtnis. Ereignisse, die bedeutend, aber nicht historisch sind, werden hier mündlich überliefert. Zum Beispiel welcher Journalist, welches Medium Freund oder Feind ist. Hans-Martin Tillack ist kein Freund der Großen, Mächtigen und Wichtigen. Mit vielen hat er es sich im direkten Umgang verdorben, den Rest erledigt inzwischen sein ihm vorauseilender Ruf: Die Nachrichtenratte wird er genannt. Er ist investigativer Journalist, und das völlig hemmungslos. In meiner Partei kursieren Erzählungen darüber, dass er auch vor ungewöhnlichen Methoden nicht zurückschreckt, wenn er auf der Suche nach Informationen ist.
Unstrittig ist: Ihm mangelt es an Respekt. Vor allem und jedem. Das muss nicht unbedingt negativ sein für Politiker, denn er ist in jede Richtung respektlos. Aber wie soll jemand nah am Geschehen, nah an den Handelnden sein, zu dem man kein Vertrauen entwickelt? Dafür müsste er kalkulierbar sein, und das ist er als Journalist nicht. Bestechung durch Nähe, das funktioniert nicht bei Hans-Martin Tillack. »Ich habe eine Neigung zu mehr Distanz, nicht zu mehr Nähe«,
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