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Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
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die sie kritisieren. Natürlich werden wir alles daran setzen, wichtige Gesetzesvorhaben so lange wie nur möglich in geschlossenen Zirkeln zu belassen und die Fraktionen auf eine Linie zu bringen. Am Ende erzwingt die Medienmeute durch ihre Lust am Krawall vor allem Zusammenhalt im Parlament - um der Ruhe willen. Denn das Schlimmste, was in der Zeitung stehen kann, ist: Streit. Streit in der Partei, in der Fraktion, in der Regierung. Obgleich der Streit zwischen unterschiedlichen Positionen ein konstituierendes Merkmal eines funktionierenden Gemeinwesens ist, wird er in den Medien kritisiert und skandalisiert,
was übrigens auch der Harmoniesucht des Publikums geschuldet sein mag. Ruhe aber bedeutet das Ende einer öffentlichen Aussprache.
     
    Ist das eine lebendige Demokratie? Eher nicht. Wenn der öffentliche Diskurs nach und nach gemeuchelt wird, nimmt die Demokratie Schaden. Wem aber will man einen Vorwurf machen? Wie will man diese Phänomene ändern? Nicht leicht. Schließlich handeln sowohl das journalistische als auch das politische System nach ihrer jeweiligen Logik. Fairerweise ist jedoch festzustellen, dass Journalisten nicht allesamt synchron funktionieren. Es gibt sehr unterschiedliche Typen: die Ersatzpolitiker, die Einflüsterer, die Buffetschreiber, die Komplizen oder die Doppelspieler. Es gibt gewaltige Unterschiede, die sich auch unerfahrenen Volksvertretern rasch erschließen. Drei Typen fallen selbst Anfängern rasch auf.

Typ 1: Der Quäler
    Ist meist ein jüngerer Vertreter, der große Ambitionen hat. Er will eines Tages zum Spiegel oder zum ZDF. Deswegen ist jede seiner Geschichten als Enthüllung angelegt. Er will nicht verstehen, nicht erklären, sondern entlarven. Er versteht es, aus jedem Bonbonpapier neben dem Mülleimer eine Geschichte von Watergate-Dimension zu drechseln. Weder Argumente noch Fakten bringen ihn davon ab. Sein Weltbild ist simpel: Alle Politiker sind Gangster. So legitimiert er sein Treiben, vor allem moralisch.
    Der Quäler steht schon deswegen immer auf der richtigen Seite, weil der Politiker immer auf der falschen steht. Lob gilt ihm als Schwäche, Analyse als Ausweichmanöver.
Manchmal gelangen solche Medienvertreter tatsächlich zum Fernsehen. In ihrer eigenen Talkshow, die sie für sehr gutes Geld mit der eigenen Firma produzieren, stellen sie dann fortwährend enthüllende Fragen, zum Beispiel, ob nicht Abgeordnete viel zu viel verdienen. Sie selbst kassieren zwar ein Vielfaches - nicht selten öffentliches Gebührengeld - aber das ist auch okay: Sie sind ja die Guten. Politiker fürchten solche Journalisten; weniger weil sie lästig sind, sondern weil das Ergebnis des Beitrags von vornherein feststeht - eine Niederlage. Verweigert man sich allerdings solchen zeitraubenden und zugleich ergebnislosen Gesprächen, nährt man den Verdacht, man habe etwas zu verbergen. Ist man nett, will man vertuschen. Ist man sachlich knapp, will man mit der Wahrheit nicht herausrücken. So ähnlich muss es im Mittelalter bei der Inquisition gewesen sein: Es gibt keinen Ausweg. Und am Ende hat man als Politiker auch noch ein schlechtes Gewissen, oftmals grundlos.
    Der Quäler könnte wertvolle Beiträge zur demokratischen Kontrolle leisten. Aber das ist nicht sein Ziel. Er will nach oben. Und die journalistische Binnenlogik bestätigt ihn auch noch. Denn von 100 anklagenden Geschichten landet er mit einer einzigen vielleicht doch mal einen Treffer. Dafür wird er mit Journalistenpreisen überhäuft. Die Chefredaktion freut sich, die Kollegen sind voller Bewunderung oder besser noch: voll des Neids. Wer lange genug mit Schrot in den Wald schießt, erwischt halt auch mal einen Hasen. Damit ist die Strategie des Quälgeists legitimiert. Denn das Weltbild ist bestätigt: Alle Politiker sind Verbrecher.

Typ 2: Der Schleimer
    Kaum weniger anstrengend als der Quäler. Denn der Schleimer ist kaum berechenbar. Beim Quäler weiß man, dass man verliert, beim Schleimer hat man immer wieder Hoffnung, dass der Beitrag halbwegs fair und inhaltlich womöglich auch noch korrekt gerät. Den Schleimer treiben unterschiedliche Motive an. Der schlichte Schleimer will einfach nur dazugehören zu den Entscheidern. Er nickt fortwährend, stellt Fragen, die mit »Finden Sie nicht auch …« beginnen, und berichtet bereitwillig alles, was er von seinen anderen Informanten erfahren hat. Der trickreiche Schleimer dagegen baut ein perfides kleines Netz aus Gefälligkeiten und Aufmerksamkeiten auf, für das

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