Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
zwischen Gebrauchtwagenhändlern, Hedgefonds-Managern - und Politikern. Womit wir bei ersten Gemeinsamkeiten wären. Politik und Journalismus im Berliner Biotop sind auf seltsame Weise einander verfallen. Jeder kennt jeden, jeder braucht jeden - und einige brauchen sich eben mehr. Die treffen sich dann zu Kamingesprächen. Bisweilen werden daraus passable Zweckbeziehungen. Nicht unbedingt fürs Leben, aber doch für die Legislatur.
Im Habitus sind der gestresste Hauptstadt-Journalist und der gehetzte Bundestagsabgeordnete oft kaum zu unterscheiden: Termine, Anrufe, Absprachen, Hintergrundgespräche, Empfänge - das ganz normale Grundrauschen einer »nervösen Zone« (Lutz Hachmeister). Nichts löst so starke Panikattacken aus, wie dessen plötzliches Verstummen. Nicht mehr mittendrin, sondern nur noch dabei. Ein Alptraum. Für Journalisten und Politiker. Der gemeinsame Beschleunigungstrip von Politikern und Journalisten sieht keine Ruhezonen vor. Ob während der Sitzungswoche oder im Wahlkreis: Journalisten wie Abgeordneten fehlt es chronisch an Zeit zum gründlichen Nachdenken,
zur differenzierten Reflexion. Im digitalen Zeitalter geht es um Präsenz und Deutungsmacht. Der eine will gesendet und gedruckt, der andere gehört und wahrgenommen werden.
Ich sehe davon ab, einen einzelnen Medienvertreter herauszugreifen und angemessen zu würdigen, positiv wie negativ. Man kann es Feigheit nennen, oder aber Weisheit. Würde ich mich hier auf eine konkrete Person einlassen, müsste ich sehr genau überlegen, was ich schreibe, vor allem aber, was ich nicht schreibe. Ich würde strategisch denken, vielleicht ein wenig wohlwollend texten, bisweilen eine idealistische Note unterbringen und hier und da womöglich sogar ein wenig sadistisch formulieren. Ziemlich sicher trifft man sich ja noch mal in diesem winzigen Hauptstadtbiotop zwischen politisch-journalistischen Häppchen.
Als gelernte Journalistin kann ich mir bestens vorstellen, wie täglich Tausende von Berlin-Journalisten vor ihrem Bildschirm sitzen und sich exakt die gleichen Gedanken machen: Wie scharf formuliere ich meine Kritik? Wer ist der Gute, wer der Böse? Wen brauche ich in Zukunft vielleicht noch? Welche politische Position vertrete ich selbst, falls ich überhaupt eine habe, die länger als eine Woche hält? Werde ich ausgeschlossen aus den kleinen Zirkeln der Macht, wenn ich alles schreibe, was ich weiß? Wen kann ich mit einer Andeutung provozieren, mir beim nächsten Mal etwas Vertrauliches zu erzählen? Kurz: Jedes Wort wird auf seinen Nutzen hin überprüft - und seine Wirkung.
Hauptstadt-Journalisten berichten nur manchmal, was tatsächlich passiert, weil das nur manchmal zum Tagesgeschäft gehört. Viel wichtiger ist der Bericht, der zu mehr
Status, zu mehr Zugängen, zu mehr Aufmerksamkeit und schnelleren Karrieren führt. Die meisten Beiträge sind ein Sammelsurium von Kosten-Nutzen-Erwägungen, ganz egal, ob in großen oder kleinen, wichtigen oder unwichtigen Medien. Das ist nicht bösartig, sondern menschlich. Nach genau den gleichen Kriterien reden allerdings auch Politiker mit Journalisten. Welcher Reporter nutzt mir? Welches Medium muss man bevorzugt bedienen? Wen kann man freundlich, aber zügig floskelnd abfertigen? Hat mich dieser schneidige junge Herr nicht unlängst erst medial vermöbelt? Volks- und Medienvertreter spielen ein gemeinsames Spiel mit dem Namen: Such den Vorteil. Kommt dabei gelegentlich ein guter, sauberer, sachlich korrekter Artikel zustande, handelt es sich nicht selten um Zufall.
Journalisten sind auch müde, gelangweilt, ausgebrannt, wollen nach Hause, zum Sport, mit Freunden ein Bier trinken. Sie müssen sich manchmal zur Erledigung von Aufgaben zwingen, sie spielen nach, was sie am Abend vorher im Fernsehen gesehen haben - genauso funktionieren Politiker auch. Das ist das Schöne an unseren Berufen: Wenn man weiß, wie der eine Laden läuft, hat man den anderen auch halbwegs kapiert. Die Reporter haben allerdings einen unschätzbaren Vorteil: Sie können spätestens nach einer Woche das Gegenteil dessen verbreiten, was sie kurz zuvor noch als jüngste Weisheit priesen. Keine Instanz prüft, welcher Kommentator sich wie oft widersprochen oder widerrufen hat.
Bei Politikern sind die Regeln deutlich strenger. Alles, was wir kundtun, landet im Archiv. Jeder Satz, und sei er noch so launig dahin geworfen, kann mir eines Tages um die Ohren fliegen. Der Wähler ist nachtragend, der Leser
geduldig, der
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