Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
nicht hätte geben dürfen. Unter dem »Außenpolitiker« 5 , wie die FAZ Gafron nannte, wurde um 19 Uhr die Deutschlandhymne gespielt - anfangs noch von Radio 100 mit dem Sound einer Klospülung gekontert. Der Sender mit dem grünen Frosch als Markenzeichen mobilisierte wie kein Zweiter das alte Westberliner Bürgertum: »Im Westen Präsenz zeigen, den Osten erobern!«
Dem »Ausnahmemenschen« 6 fielen um die Jahrtausendwende noch die Geschäftsführung von TV Berlin und die Chefredaktion der BZ zu. Vorläufiger Höhepunkt seiner Karriere war eine beispiellose Anti-Ost-Kampagne, die sich vordergründig gegen die Wahl der PDS richtete. »Keine Macht den Tätern« wurde 2001 berlinweit plakatiert, gedruckt und ausgestrahlt. Nebenbei verunglimpfte sie aber den ganzen Osten. Eigentlich hätte jeder Ossi mit ein bisschen Würde in die ausgebreiteten Arme von Bisky, Gysi und Co. laufen müssen. Es blieb nicht das einzige Mal, dass Gafron das Gegenteil von dem erzeugte, was er mit aller Wucht wollte.
Gafron liebte die Freiheit. Er hätte wohl nicht gezögert, all die Spielzeugsoldaten und Panzer, die sein Büro zierten, in Marsch zu setzen. Im Hintergrund stand, dass die Mutter der Freiheit die Menschenwürde ist - so jedenfalls unser Grundgesetz. Das gilt bekanntlich nur eingeschränkt, aber auch für die Medien.
Frauen zum Beispiel. Sie sind in Gafrons Welt eher gehorchendes Beiwerk. Die Begrüßung seiner Sekretärin »Morgen Mops - abtreten« 7 war noch harmlos, der Umgang mit seiner Frau - »mit ihr habe ich feste Telefonzeiten« 8 - eher was für Eva Herman oder die Dinosaurier unter uns Männern. Beim Format Bettgeflüster von Hundert,6 mit Quotenkönig Frank Schmeichel - »Reichen Sie mir die Hand zum Tanz auf dem Vulkan« - wurde dann klar, wie die Häschen genau zu laufen haben.
So berichtete Schmeichel durchaus beispielhaft: »Nach vorne ist sie die ehrbare Hausfrau und fürsorgliche Mutter«, nach hinten aber kennt sie sich »im Bett nicht mehr wieder« und will von ihrem Mann wie »eine billige Hafennutte behandelt werden«. Über den Abteilungsleiter im Fischhandel berichtete Schmeichel, wie er abging, wenn seine Frau schrie: »Meine Reuse ist offen, wo bleibt dein Fisch?«
Wohl verstanden geht es hier - und ging es dem grünalternativen Protest damals 9 - nicht ums klösterliche Leben oder um ein »Back to the 50s«. Die Bravo hätte Vorbild sein können: Sex und Erotik ja, aber offen, ehrlich und gleichberechtigt für Männer wie Frauen. Nicht so das schlüpfrige Sex- und Rollenverständnis des deutschen Boulevards, das Gafron in seiner Zeit als BZ -Chef auf einen neuen Tiefstand brachte. Freiheit? Vielleicht. Geschenkt: Die »Schnecken« und »Kätzchen« wollten ja schon immer Seite-1-Girl werden. Und zwar wegen Befreiung und Ästhetik und nicht oder nur ein bisschen wegen der Kohle. Und alle in »Berlin diskret« feilgebotenen Frauen hätten ja selbst inseriert - und nicht ihre Zuhälter. Einnahme und Auflage waren garantiert. Die Verdinglichung der Frau schritt voran. Auch mit Hilfe des Boulevards. Pervers
sind nicht die vielen Männer, die das heimlich oder offen nötig haben. Höchstens peinlich. Das Perverse ist auch nicht ein Georg Gafron, der sich freut, wenn eine Frauengruppe ihn zum Chauvi des Jahres kürt. 10 Das kann ja fast jeder noch verstehen.
Pervers ist vielleicht eher, dass Vergewaltiger und Frauenmörder im Boulevard zunächst auf Verständnis treffen, das sie anfixt. Schlagzeilen wie »Der Winter kommt. Wen lässt Tanja unter ihre Decke?« wecken Träume und spielen mit ihrer Fantasie. Sobald aber Grenzen überschritten werden, ist Lynchjustiz - » BZ verspricht: Wir finden ihn!« 11 - angesagt. Die Maschine erzeugt sie, die Maschine vernichtet sie.
Ob Zeitungsmacher wie Gafron sich angesichts von Geständnissen der Sexverbrecher ihrer eigenen Inhalte versehen? »Die Schlampe hat mich zuerst scharf gemacht und dann abgewiesen. Das habe ich nicht ertragen.« Die Maschine leckt sich die Lippen und schmatzt. Die Schlagzeile: »Lasst sie nie wieder frei!« Die Doppelmoral der Boulevardmedien springt einem mit Titten und Arsch ins Auge. Und wer weiß, ob sie nicht sogar gefährlich ist?
Die hart erkämpfte Freiheit des Georg Gafron war mehr wert als die Freiheit der anderen. Das bekamen seine Mitarbeiter zu spüren. Seine treuen Untergebenen - von Redakteuren häufig die Chinesen genannt - nickten alles ab. Andere, die Anfang der neunziger Jahre Hundert,6 den Rücken
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