Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
hat ein Parlamentarier denn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die das Ganze schön mundgerecht liefern können? Abgeordnete arbeiten zuweilen nicht mehr mit Journalisten, sondern für sie. Ich bin ein Ersatzjournalist. Mir sind diese in indirekter Rede gehaltenen, pseudo-objektiven Pressemitteilungen zunehmend zuwider. Sie werden von den Redaktionen nur noch oberflächlich bearbeitet, kritisches Nachfragen unterbleibt häufig. Ja, wenn sie denn nicht gleich im Papierkorb landen.
Die Medienlandschaft befindet sich grundlegend im Wandel. Durch das Internet eröffnen sich neue Chancen, aber auch Risiken. Gerade die Qualitätsmedien sehen sich wachsenden wirtschaftlichen Zwängen ausgesetzt. Öffentlichrechtliche Rundfunkanstalten scheinen weitgehend resigniert zu haben; sie sind von den kommerziellen Angeboten kaum noch zu unterscheiden. Aber ich hege immer noch die Hoffnung, dass nicht allein die oberflächliche Lust an der Sensation und die kleinmütige Anpassung an die Gesetze des Marktes, sondern die Verpflichtung zu fundierter Aufklärung und sachlicher Information die entscheidenden Triebfedern journalistischen Arbeitens bleiben.
Bekanntermaßen geht die Sache für Dorian Gray nicht gut aus. Die magischen Kräfte, die ihn stets blendend aussehen ließen, verlassen ihn erst, als er sein Bildnis und dadurch letztendlich sich selbst gewaltsam vernichtet: Das Verhältnis von Mensch und dem statt seiner gealterten Porträt kehrt sich wieder um. Nun will ich die Analogien nicht übertreiben. Prantl bleibt Prantl. Bild bleibt Bild. Und Dorian Gray ist Fiktion. Dennoch lassen sich zumindest zwei Schlussfolgerungen ziehen. Einerseits zeigt sich
die hässliche Fratze des oberflächlichen Sensationsjournalismus immer häufiger und lässt sich leider nicht auf Bild begrenzen. Heribert Prantls Gegenbilder sind auf dem Vormarsch.
Andererseits muss politische Berichterstattung unter Kosten- und Zeitdruck nicht automatisch mit sinkendem Niveau einhergehen. Journalisten wie Prantl und Qualitätsprodukte wie die Süddeutsche Zeitung belegen dies. Solange die deutsche Medienlandschaft Journalisten wie ihn hervorbringt, und er ist beileibe kein Einzelfall, muss einem nicht bange sein. Prantl zeigt, was im deutschen Journalismus immer noch möglich ist. Welch ein Glück.
Die Stücke von Heribert Prantl sind wie Espresso: Sie lassen sich schnell lesen, sind bisweilen bitter im Geschmack, aber stets stark in der Wirkung - und machen munter.
DER AUTOR
Michael Roth (geb. 1970) ist Generalsekretär der SPD in Hessen. Er wurde im Alter von 28 Jahren zum ersten Mal direkt in den Bundestag gewählt. Der Diplom-Politologe ist stellvertretender europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Mitglied im Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union und im Innenausschuss. Er lebt im osthessischen Heringen.
BENEDIKT LUX
Frontstadt-Fortissimo - Georg Gafron
Mit der Berliner Mauer fielen auch alte Feindbilder. Im wiedervereinten Deutschland sind alle Politiker irgendwie demokratisch, öko, sozial und liberal. Ideologien werden vom Kompromiss überlagert: »Der Streit findet zunehmend innerhalb und nicht mehr zwischen den Parteien statt.« 1 Sogar der Springer-Verlag und die grünalternative Szene haben sich heute in einer zärtlichen, subtilen Hassliebe umschlungen. Wo einst die Mauer stand, treffen heute die nach Rudi Dutschke und Axel Springer benannten Straßen aufeinander. Kaum zu glauben, wenn man Georg Gafron kennt!
1977, als die Welt noch gut und böse war, ging es los. Pünktlich zum Deutschen Herbst machte der 23-jährige Gafron rüber, aus der DDR in den Westen. Eingesperrt in dem nur 146 Zentimeter breiten Kofferraum eines R4 überquerte Gafron die Grenze, um die Freiheit zu genießen. Und zu erobern. Der Fan der Freiheit, der Anhänger des amerikanischen Gesellschaftssystems, wollte die Dschungelgesellschaft 2 . Und was er seitdem tat, tat er »für unsere Stadt, und darüber hinaus für unser Vaterland«. 3
Das wilde Westberlin der Vorwendezeit war um einen Cowboy reicher. Ein ehemaliger Küster, der die »göttliche Gabe bekommen hat, publizistisch tätig zu sein« 4 , nahm
die ersten Lehrjahre beim RIAS auf sich. Der Junge aus dem Kofferraum wurde mehr und mehr zum Gralsritter des westdeutschen Konservativismus.
Zehn Jahre später wurde Georg Gafron Geschäftsführer bei Hundert,6, dem ersten Privatsender in der Frontstadt, den es nach dem Willen meiner grün-alternativen Ahnen gar
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