Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
dürfen.
Makellos liest sich die schillernde Vita. Der 1953 im bayerischen Nittenau geborene Publizist studierte als Stipendiat des katholischen Cusanuswerkes Rechtswissenschaft, Geschichte und Philosophie in Regensburg und absolvierte
eine journalistische Ausbildung. Seinen Berufsweg begann er zunächst als Anwalt, Richter und Staatsanwalt. Schon seine Dissertation erhielt einen Wissenschaftspreis, eine stattliche Anzahl weiterer Auszeichnungen folgte.
Die Liste seiner Werke, nicht selten Bestseller, ist lang. Prantl ist ein viel gelesener Leitartikler der Süddeutschen Zeitung , zunächst als innenpolitischer Redakteur und seit 1995 als Chef des gesamten Ressorts. Die Rechtspolitik bleibt sein Steckenpferd, hier macht ihm kaum jemand etwas vor. Er weiß sich gut zu präsentieren, bringt komplexe Sachverhalte auf den Punkt, ist folgerichtig gern gesehener Gast bei Rundfunk- und Fernsehsendungen; kurzum das, was man eine »Edelfeder« nennt.
Prantl weiß, warum und worüber er schreibt. Er hat eine Haltung. Das unterscheidet ihn von vielen seiner Berufsgenossen, die dem Zeitgeist immerzu hinterherhecheln. Er hätte sicher nichts dagegen, als »linksliberal« bezeichnet zu werden. Das hat mit der westerwelleschen FDP nichts zu tun. Aber es dürfte den Kern seines erkenntnisgeleiteten Interesses treffen.
Prantl ergreift kompromisslos Partei für freiheitssichernde Bürgerrechte und für den Schutz vor den zuweilen gierigen Zugriffsversuchen privatwirtschaftlicher, aber auch staatlicher Obrigkeit. Sei es nun im Bereich des Datenschutzes, der Terrorismusabwehr oder der Einwanderungspolitik: Stets ist es Prantl, der für individuelle Freiheitsrechte eintritt und zur Vorsicht bei geplanten Einschränkungen mahnt. Den Rechtsstaat etwa vor einer Lungenentzündung im Falle des Inkrafttretens des neuen BKA-Gesetzes zu warnen, wie Prantl es jüngst tat, zeugt davon. »Das Wissen«, schreibt er, »kann einem auch den Garaus machen.« Mitunter mag er mit seiner ätzenden Kritik auch
übers Ziel hinausschießen. Aber auch das zeichnet einen kundigen Streiter in der Sache aus.
Wer hat nicht alles die Nase gerümpft über ihn, den vermeintlich naiven und altmodischen Wahrer des sozialstaatlichen Besitzstandes. Er hat das recht stoisch über sich ergehen lassen. Ein gesundes Selbstvertrauen hat er offensichtlich, der Doktor Prantl. »Alles dem Götzen Markt, nichts dem Staat und runter mit den Sozialleistungen!« So gab es die Stiftung »Neue Soziale Marktwirtschaft« vor. Das war Mainstream, schick und sexy - und nicht nur bei den üblichen Verdächtigen der Medienbranche. Es soll ja auch vereinzelt Sozialdemokraten gegeben haben, die diesen Unfug in ihren Netzwerken herumposaunt haben.
Heute verstaatlichen wir Banken, spannen milliardenschwere Schutzschirme und legen Konjunkturprogramme auf. Das Finanzsystem ist kollabiert. Angesichts der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise werden zwischenzeitlich Forderungen erhoben, für die man vor nicht allzu langer Zeit als letzter Ableger von Karl Marx verunglimpft worden wäre. Die meisten wollen nicht mehr an ihr Geschwätz von gestern erinnert werden. Die marktradikalen Einflüsterer sind verstummt. Vorerst. Niemand muss sich mehr rechtfertigen, wenn ein handlungsfähiger Staat, politische Regulierung und stabile wohlfahrtsstaatliche Strukturen eingefordert werden.
In einem atemberaubenden Tempo werden alte Überzeugungen über Bord geworfen. Das neoliberale Begründungsfundament scheint nicht sehr stabil zu sein. Journalisten sind da offensichtlich wie manche Politiker: geschmeidig im Umgang mit Fakten und Positionen. Prantl ficht das nicht an. Er muss nichts revidieren, gar im Nachhinein schönfärben.
Er genießt still. Kein Siegesgeheul! Dafür ist die Sache auch zu ernst.
Zum Glück erspart er sich und uns die Attitüde desjenigen, der ja schon immer alles besser gewusst hat. Vermutlich ahnt er, dass Recht haben und Recht bekommen zweierlei Dinge sind. Was hat er jahrein, jahraus Politikern, Managern und Wissenschaftsexperten nicht alles ins Stammbuch geschrieben: Ohne einen starken Staat keine freiheitliche Rechtsordnung, keine funktionierende Marktwirtschaft, keine Demokratie und keine soziale Stabilität, die für inneren Frieden sorgt. Er war und ist ein Umverteiler - und hat sich dessen bislang nicht geschämt.
Seine Begabung, Politik scheinbar mühelos anschaulich zu erklären und zu deuten, ist lobenswert. Aber erst seine jahrzehntelange unbeirrbare
Weitere Kostenlose Bücher