Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
ihren Gewehren auf den Wachttürmen standen, hat er - trotz Erklärungsversuchen seines Vaters - eigentlich nie verstanden. Als die Mauer fiel, entdeckte er die einmalige Feld- und Waldlandlandschaft und vergaß die Soldaten. Erst später begeisterte sich der Sohn einer südkoreanischen Mutter für die Geschichte geteilter Länder.
GRIETJE STAFFELT
Von Techno bis Tagesspiegel - Mercedes Bunz
Mercedes Bunz ist als Journalistin bemerkenswert, weil sie sich als Frau mit Themen beschäftigt, die vorrangig Männer in den Bann ziehen: elektronische Musik, Datenschutz, Web 2.0, Online-Journalismus. Ihr anderer Blick auf die Dinge hat mich genauso interessiert wie ihr nichtstromlinienförmiger Werdegang. In der Berichterstattung über Medienpolitik ist es häufig wichtig, die technischen Hintergründe zu verstehen. Sie kann als eine von wenigen kritisch und mit Tiefgang über Medienpolitik schreiben.
»Politischer Journalismus bedeutet inzwischen vor allem, Zitaten hinterherzurennen. Es wird nicht mehr erklärt,die Politik nicht beschrieben. Das ist ein Grund für Politikverdrossenheit.« Es macht stutzig, dass Mercedes Bunz ihr eigenes Metier so kritisch bewertet. Sie ist Chefredakteurin bei Tagesspiegel Online und arbeitet täglich mit an der politischen Berichterstattung. Das aber zeichnet die schlanke, junge Frau aus: Sie sagt, was sie denkt. Und sie denkt und spricht schnell.
Gedankenlos sind ihre Aussagen trotzdem nicht. Eher druckreif, so als hätte sie schon länger darüber gebrütet und an Formulierungen gefeilt, bis sie ihre Thesen an geeigneter Stelle platzieren kann. Ein Gespräch mit der Journalistin regt zum Nachdenken an, weil sie Themen gerne mit einer gewagten These einleitet. Den sarkastischen
Ton, der von vielen Journalistinnen und Journalisten bekannt ist, legt sie nicht an den Tag. Vielleicht, weil sie jünger ist als viele Kolleginnen und Kollegen in ihrer Position. Vielleicht auch, weil sie sich nie auf den Journalismus allein fokussiert hat.
Sie als »Schmierfink« zu bezeichnen, wäre sicher falsch. Dennoch oder gerade deshalb lohnt es sich, einen genaueren Blick auf diese Frau zu werfen. Worin unterscheidet sie sich von einem Hans-Ulrich Jörges oder einer Alice Schwarzer?
Sie hat kein klassisches Journalismusstudium oder Volontariat absolviert. Sie hatte nie das eine Ziel vor Augen, unbedingt Journalistin zu werden. Stattdessen kam sie über Umwege zur heutigen Profession. Gestartet ist sie mit dem Interesse für zeitgenössische Kunst und elektronische Musik. Nach dem Abitur begann sie zunächst Kunstgeschichte und Germanistik zu studieren. Ihr Germanistikprofessor riet ihr aber, doch eher zur Philosophie zu wechseln. Vielleicht hat sie schon damals zu viele Fragen gestellt. Sie selbst sagt über sich, sie habe »einen Hang zur Metaebene«, da passte die Philosophie dann besser.
Dieses Interesse macht ihre Stärke als Journalistin aus. Sie will Dinge nicht nur oberflächlich betrachten, sondern auch sehen, was dahinter ist. Sie will Kunst, Musik und auch Politik nicht nur beobachten, sondern sich mit den Hintergründen auseinandersetzen. Und genau darin unterscheidet sie sich wohltuend von so manchem anderen ihrer zündelnden Kolleginnen und Kollegen.
Ihr Stil ist eher essayistisch und offenbart ein Gefühl für gesellschaftliche Veränderungen. Ihr Zitty -Artikel »Meine Armut kotzt mich an« vor zwei Jahren über gut ausgebildete
und schlecht bezahlte junge Kreative ist eine bestechende Diagnose der Berliner Stadtkultur. Durch diesen Bericht wurde sie quasi Chefredakteurin des Stadtmagazins und hat in der Metropole eine Debatte über den Künstler als Unternehmer angestoßen. Das ist auch ihr Ziel: Debattenjournalismus mehr Raum zu geben, also nicht der »Hast-Du-schon-gehört?-Meldung« hinterher zu laufen, sondern Zustände zu beschreiben, an der Oberfläche zu kratzen und dadurch etwas zu bewegen.
Etwas zu bewegen war sicherlich auch die Motivation, im Alter von 25 Jahren zusammen mit Freunden eine eigene Zeitschrift und einen eigenen Verlag zu gründen. Bunz war der Meinung, dass elektronische Musik in der Berichterstattung nicht genügend Raum hätte. De:bug sollte Abhilfe schaffen - die Zeitschrift gibt es bis heute.
Schon damals hat sich Mercedes Bunz ihren Platz in einer Männerdomäne erkämpft. In der eigenen Zeitschrift konnte sie eine Rolle spielen, die ihr als jungem Menschen, noch dazu als Frau, in der Popwelt nach eigenen Aussagen so niemals eingeräumt
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