Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
worden wäre. Bei der eigenen Zeitung nun waren die »Alten« automatisch ausgeschlossen, denn bei elektronischer Musik war die jüngere Generation einfach kompetenter. Im jungen Verlag wurden dem journalistischen Nachwuchs keine Grenzen gesetzt, und sie zeigte, dass sie als Frau genauso analytisch über Musik schreiben kann wie ihre Kollegen. Bis dahin schrieben Frauen fast gar nicht über elektronische Musik. Mercedes Bunz aber fehlte diese »weibliche Perspektive«, der Blick der Hörerinnen.
Ähnliches gilt aus ihrer Sicht für den gesamten journalistischen Bereich. Journalisten sind in der Mehrzahl männlich,
jedenfalls in den Kernbereichen und an der Spitze sowieso. »Gibt noch viel zu tun«, so ihre pragmatische Schlussfolgerung. »Der Feminismus wird noch lange benötigt, soviel ist klar.« Allerdings sagt sie das keinesfalls leidend. Ihre Analyse ist eindeutig und ihre Handlungsschritte sind es auch. Sie macht einfach - ohne herumzulamentieren. Die Folgen sind ihr klar: »Auf der Spitze weht ein Wind, da scheint nicht nur die Sonne besonders schön.« Auch wenn das ihrer Meinung nach für Männer genauso schwierig ist, so ziehen sich Frauen doch schneller zurück. Den Druck muss man eben aushalten können.
Mercedes Bunz ist eine Feministin, die sich vor allem mit Themen befasst, bei denen Frauen selten mitmischen. Statt in Frauenmagazinen ihren Platz zu suchen, betreibt sie einen privaten Blog. Bloggerinnen gibt es nicht allzu viele. In ihrer Doktorarbeit hat sie sich mit der Entstehung des Internets befasst. Wieder so ein Männerthema. Technik macht ihr keine Angst, im Gegenteil. Sie kritisiert die Technikfeindlichkeit der Deutschen, wodurch hierzulande Chancen vertan würden. Im Bereich des Internets könne man noch viel von den USA lernen, meint sie.
Im Online-Journalismus ist sie richtig aufgehoben. Wie in der elektronischen Musik ist der Rhythmus schnell, die Strukturen sind jung, die Kolleginnen und Kollegen auch. Die Artikel entstehen oft in einem dynamischen Prozess und die Leserinnen und Leser werden mit einbezogen. Für die Berliner Medienlandschaft ist es ein Gewinn, dass es jemanden wie Mercedes Bunz gibt. Eine Journalistin, die hinter die Fassade blickt, die etwas von Medien und Technik versteht. Eine, die nicht nur Tickermeldungen abschreibt, sondern ihr Wissen und ihre Meinung an die Leserinnen und Leser weitergibt.
DIE AUTORIN
Grietje Staffelt (geb. 1975 in Eckernförde) ist medienpolitische Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Obfrau im Unterausschuss Neue Medien. Die Diplom-Pädagogin ist seit 2000 für die Partei im Bundestag.
OMID NOURIPOUR
Exhibitionismus als Defensivwaffe - Jürgen Leinemann
Die Ähnlichkeiten zwischen einem Hip-Hop-Freestyle-Battle in einem verrauchten Club in Detroit und der politischen Bühne einer modernen Demokratie sind im ersten Moment nicht augenfällig. Doch wenn man genauer hinsieht, bemerkt man schnell die Parallelen. Da stehen Leute auf der Bühne und performen für ihr Publikum, indem sie sich gegenseitig beschimpfen, und derjenige, der den meisten Applaus einheimst, gewinnt. Dass dabei viel Egozentrik, Selbstinszenierung und Populismus im Spiel ist, versteht sich von selbst.
Im Hip-Hop-Film 8 Mile kommt es am Ende zu einem eindrucksvollen Battle zwischen dem Platzhirsch und einem talentierten Underdog, gespielt vom weltberühmten Rapper Eminem. Nach zahlreichen Erniedrigungen und gegen sein eigenes, fast pathologisches Lampenfieber entscheidet sich Letzterer zu seinem großen Auftritt: In einem furiosen Final-Rap gesteht er zunächst alle seine vermeintlichen Fehler (»Ich wohne mit meiner Mutter in einem Trailer-Park.«) und unabweisbaren Demütigungen (»Mein bester Freund hat meine Freundin ge*****.«) ein, bringt seinen sozialen Hintergrund aus der Gosse zur Sprache und kann sich so spielend gegen seinen Kontrahenten durchsetzen, den er als verwöhntes Privatschulkind bloßstellt. Weil er - einzigartig für die offene Bühne - mit offenen
Karten spielt, kann man ihm keine krummen Tricks nachsagen. In einem Gewerbe, in dem der Anschein von Authentizität lebenswichtig ist, kann das Zugeben eigener Fehler tödlich sein, ab einer Stufe von Stilisierung ist es aber eben auch ein Mittel der Auseinandersetzung.
Nun mag man nicht ganz zu Unrecht einwenden, dass diese rhetorische Strategie, die concessio, schon zu Zeiten der römischen Republik zu den Grundwerkzeugen eines jeden Redners gehörte. Aber bei Eminem
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