Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten

Titel: Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maybrit Illner , Hajo Schumacher
Vom Netzwerk:
von Heusinger »Sand ins Getriebe streuen« wollte. Genau so hatte er seinen Leitartikel in der Börsen-Zeitung überschrieben. Das war 1998, auf dem Höhepunkt der Asienkrise. Er verwendete unaussprechliche Wörter wie »Devisenkontrollen«, er schrieb von der »Ratlosigkeit der Zunft« und davon, dass »neoliberale Berater« versagt hätten. 2008, im Jahr der internationalen Finanzkrise, an den Finanzplätzen dieses Landes und dort, wo Finanzmarktpolitik gemacht wird, in Berlin, im Finanzausschuss und im Steinbrück-Ministerium, wissen die Finanzexperten inzwischen, dass sich hinter dem unverdächtig aristokratischen Namen einer der schärfsten Kritiker verbirgt, den die deutsche Finanzpresse zu bieten hat. Und ein ebenso profilierter wie pointierter noch dazu.

    »Sie können keinen Kapitalismus«, hat Robert von Heusinger, inzwischen Leiter des Wirtschaftsressorts der Frankfurter Rundschau , zehn Jahre später einen seiner Leitartikel in jener Phase überschrieben, in der die Bundesregierung das Rettungspaket für die Banken schnürte. Hochgradig seriös der Inhalt, hart an der Grenze die Wortwahl - dafür ist von Heusinger spätestens seit seinen Leitartikeln in der Börsen-Zeitung bekannt, respektiert und zu Recht ein wenig gefürchtet. »Dumm und populistisch«, »hasenfüßig«, »kurzfristig und volkswirtschaftlich schädlich«. So geißelte er nicht das Rettungspaket an sich, sondern die Fehler der Regierung und das Verhalten der Banken. Kaum einer kommt in Heusingers Leitartikeln mit Bewährung davon, alle Akteure hat er schon seit Jahren im Blick. Er nimmt sie in Haft, sofern sie nur einen Funken Verantwortung tragen. Seine Zeilen sind im besten Sinne visionär, vorwegnehmend und Ansporn für die, die sich noch einen Kopf um das machen, was sie unter der Reichstagskuppel oder in einem der Bankentürme anrichten.
     
    »Ein guter Artikel darf nicht weichgespült sein. Er muss weh tun.« Das sagt er mir bei einer unserer Begegnungen, als ich vorsichtig nach seinen Beweggründen frage. Ein Analyst der Finanzkaste, der Polit-Banker und überhaupt des Systems. Einer, der differenziert, besser: seziert. Bis ins kleinste Detail. Damit etwas Großes bleibt: Ein Artikel, der die Gemüter derer erhitzt, die gemeint sind, ein Artikel, der das Wissen derer mehrt, die interessiert sind, ein Artikel, der kopiert und weiterempfohlen wird, ein Artikel, der zum Gespräch wird. »Mein Anspruch ist: erklären. Und zwar mit Relevanz«, sagt er mir weiter. Und spätestens jetzt fällt dieser Leitartikler aus dem Rahmen. Denn andere wollen: mitregieren. Besserwissen. Oder ihren
Narzissmus befriedigen. Diesen Journalisten aber treibt die Leidenschaft eines Pathologen. Seine anatomischen Kenntnisse fataler Finanzmarktkonstruktionen und -deformationen fasst Robert von Heusinger so unmissverständlich zusammen, bis auch ein schludriger Hilfsermittler den Fall klar vor Augen sieht.
     
    Ich nenne das nachhaltigen Journalismus. Denn: Die Texte Heusingers kann man auch am nächsten Tag oder zehn Jahre später noch lesen. Sie machen Lust auf Diskurs und laden ein zum Nachdenken. Der Vorwurf an die angeblichen Finanzmarkt-Retter - »Sie können keinen Kapitalismus« - fasst genial die jüngsten Fehler von Regierungen und Zentralbanken zusammen und eröffnet eine andere Form der Kapitalismusdebatte, jenseits des einfachen Für und Wider. Das ist alles andere als selbstverständlich in der Riege der Volkswirte - und deshalb schätze ich als Politik gestaltender Volkswirt diesen schreibenden Volkswirt. Viele namhafte Vertreterinnen und Vertreter der Volkswirtschaftslehre tun sich in Gastkommentaren als die großen Vereinfacher hervor. Die Dinge seien unüberschaubar geworden, schreiben sie, vor allem für die Politiker. Schon allein damit unsereiner im Bundestag nicht mehr so viele Fehler machen könne, müsse kräftig entschlackt werden. Bei Robert von Heusinger liegen die Dinge anders: Er kann einfach erklären, weil er sich auskennt und durch die Komplexität der Finanzmärkte hindurch die Linien der Veränderung erkennt. Wer Wertpapierprospekte kennt, glaubt nicht, dass Finanzthemen auch in einfachen, kurzen Sätzen erklärbar sind. Von Heusinger schafft den Gegenbeweis.
     
    Ich habe mir überlegt, ob diese Spezies Journalist in Berlin überleben könnte. Ich denke: nein. Von Heusingers Vorteil
ist nicht nur sein klarer Verstand und sein enormes Wissen, das er in seinen Berufsjahren als Finanzmarktkorrespondent und Redaktionsleiter

Weitere Kostenlose Bücher