Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
vertrauliche Hintergrundgespräch in kleinster Runde mit dem Minister oder Kanzler. »Wow, du hast direkt mit der Merkel gesprochen!«, heiße es dann manchmal in einer wohligen Ehrfurcht im Bekanntenkreis.
Als Gegengift biete sich einerseits die Fähigkeit zur Selbstkritik und -kontrolle an, mal einen Schritt zurückzutreten und sich selbst zu hinterfragen. Die Fähigkeit dazu nimmt man ihr ab. Andererseits sei die interne Kritik innerhalb der Redaktion wichtig, innere Pressefreiheit auch und gerade von unten nach oben: »Aber es gehört heute mehr Mut dazu, den Chefredakteur intern zu kritisieren, als den Kanzler öffentlich in Bausch und Bogen niederzuschreiben. Wir Journalisten geben uns noch immer gern die Aura der Kämpfer für die freie Presse gegen den drohenden Ungemach von außen, dabei ist die eigentliche Leistung heute die, angesichts einer völlig permissiven Öffentlichkeit sich selbst Grenzen zu setzen und für die eigenen Maßstäbe in der Redaktion zu kämpfen.«
Starke Worte der Selbstkritik, aber was folgt daraus konkret fürs eigene Handeln? Hat sie als Leiterin der Parlamentsredaktion des Tagesspiegel gern Kritik ertragen und in der Redaktionskonferenz der Welt Kritik am Chef geübt? Zumindest zu Letzterem folgen eher ausweichende Antworten. Aber vielleicht spricht sie auch einfach ungern über Interna.
Ein ähnliches Fragezeichen bleibt nach dem Gespräch über ihr im Jahr 2007 erschienenes Buch mit dem Titel Republik der Wichtigtuer , in dem sie sich kritisch mit der Entwicklung
des politischen Journalismus seit dem Umzug der Bundespolitik nach Berlin auseinandersetzt. Dabei geht es weniger um Huhn oder Hahn, sondern eher um die Kausalität von Ei und Huhn. Denn Berlin war, so Bruns, hier weniger Auslöser als vielmehr Katalysator einer anhaltenden Umbruchkrise des politischen Journalismus, in der etwas planlos alles mal probiert würde: Die »Exklusivitis« der Journalisten, in deren Mittelpunkt die mit dem Ellenbogen ausgetragene Jagd nach der schnellen, neuen, einzigartigen Nachricht stehe; die neue Stilistik von Politik und Gesellschaftlichem, wo auf ein- und demselben Bertelsmann-Fest plötzlich Angela Merkel, Liz Mohn und Dieter Bohlen in trauter Runde zu Gast seien; das große Rauschen der Medien, das Politiker wie politische Journalisten an den Rand dränge und sie geradezu zwinge, ihre Anliegen mit Mitteln der Unterhaltungskultur zu präsentieren, so dass plötzlich politische Journalisten selbst als Kommentatoren, Studiogäste oder Moderatoren im Fernsehen auftauchten (was selbstkritisch ausdrücklich Tissy Bruns einschließe).
All dies sind viel be- wie umschriebene Phänomene, die noch einmal wortgewandt von Tissy Bruns aufgearbeitet werden. Aber wo bleibt die Schlussfolgerung der ehemaligen obersten Hauptstadtjournalistin? Haben Journalisten, hat auch Tissy Bruns selbst nicht mehr zu sagen zu einer Entwicklung, bei der Medien und Medienschaffende immer »multifunktionaler« werden? Eine Entwicklung, bei der ein und dieselbe Redaktion sowohl für die Printausgabe als auch für das dazugehörige Internetportal, für Ton-, Bild- und Fernsehimpressionen zuständig ist; und es sogar vorkommen kann, dass der Chefredakteur einer Regionalzeitung mittels Digitalkamera gleich noch die Bilder
zum Leitartikel beschafft? »Diagnose gut, Therapievorschläge mangelhaft«, möchte man rufen. Eine Kritik übrigens, die für Tissy Bruns nicht neu ist und die sie akzeptiert, aber eben nicht wirklich widerlegt.
An der einen oder anderen Stelle wirkt ihre Kritik im Grundton etwas zu bissig, etwa wenn sie beschreibt, wie Friede Springer, Sabine Christiansen und Isa Gräfin von Hardenberg auf der Zuschauertribüne des Bundestages während der Wahl der Bundeskanzlerin selbst gebackene Plätzchen in CDU-Form knuspern oder wenn sie die Rolle von allgegenwärtigen und selbstverliebten Alphajournalisten kritisiert. Etwas spielerisch-kokett wird es auch auf die Frage nach dem Journalistenpreis, den sie 2007 erhalten hat: »Habe ich einen bekommen? Ich vergebe eigentlich Preise, ich kriege keine …« Aber selbst diese einem Politiker nicht fremden Wesenszüge machen sie im Gesamtbild sympathisch.
Der wohl einschneidendste, prägendste und damit spannendste Bruch im Leben und journalistischen Wirken von Tissy Bruns allerdings war keine Frage von Huhn oder Hahn, sondern von geradezu ideologischem Ausmaß. Politisiert in Schule und Studium durch den Vietnamkrieg und die 68er, folgte 1971
Weitere Kostenlose Bücher