Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
nach dem Spartakusbund der Eintritt in die kommunistische DKP, für die sie bei der Bundestagswahl 1980 sogar auf Platz neun der Landesliste NRW kandidierte. Was trieb eine 20-Jährige, die noch 1968 gegen die russischen Panzer in Prag demonstriert hatte, in diese von der damaligen Sowjetunion mitfinanzierte Kaderpartei?
»Wir errichteten uns aus Wut und Enttäuschung über das Schweigen unserer Elterngeneration zu den Gräueltaten
der Nazis neue Vorbilder, ja Denkmäler in Gestalt der kommunistischen KZ-Überlebenden, ohne allzu sehr zu hinterfragen, was deren Ideologie eigentlich bedeutete. Mein Beitritt zur DKP ist durch nichts zu entschuldigen, der Ablösungsprozess dauerte entschieden zu lange«, ist Bruns’ eindeutige Antwort. Und weiter: »Es war mein größter Lebensirrtum, dieses krude Weltbild geglaubt zu haben. Das eigentliche Verhängnis war es, abstrakte Prinzipien über konkrete individuelle Menschenrechte zu stellen.«
Am 1. Juni 1989 trat sie aus der DKP aus. »Gerade noch rechtzeitig«, um es aus eigener Erkenntnis heraus noch vor dem Mauerfall wenige Wochen später getan haben zu können. »Das ist mir wichtig«, sagt sie zum Datum. Dieser offene, selbstkritische Umgang mit einer kritikwürdigen Lebensphase, der nichts verklärt und nichts entschuldigt, ist wohltuend unprätentiös. Und es klingt daher auch nicht pathetisch, wenn Bruns sagt: »Dieser Irrtum setzt meinem Leben Grenzen, ich kann nicht mehr mit voller Überzeugung nur eine einzige Antwort als die einzig wahre und richtige für irgendwas akzeptieren oder auch nur verkaufen.«
Schon fast folgerichtig zu dieser Läuterung verläuft der journalistische Weg von radikal links bis zur mittleren Rechten. Nach der kommunistischen Deutschen Volkszeitung folgten, unterbrochen von je einem Jahr Arbeitslosigkeit und bei der AOK, die linke taz , der Stern , die ehemalige DDR-Postille Wochenpost , eine erste Station beim linksliberalen Tagesspiegel , dann ein Intermezzo bei der konservativen Welt und schließlich die Rückkehr zum Tagesspiegel . Allerdings war die Zeit bei der Welt »keine glückliche Verbindung«, wie sie sagt, die mit einem kleinen Eklat endete, als öffentlich darüber spekuliert wurde, dass die Welt sich angesichts des scheinbar abzeichnenden
Regierungswechsels 2002 zurück zu Schwarz-Gelb (der dann bekanntermaßen nicht eintrat) von seinem »linksliberalen Feigenblatt« Bruns trennen wolle. Aber auch diese Zeit hatte für sie ihr Gutes, denn ein ungewohntes Umfeld helfe die eigenen Werte und Einstellungen zu prüfen und zu festigen.
Ach ja, Werte. Kann eine Frau mit ihrer Biografie etwas mit dem Begriff »Heimat« anfangen? »Ich bin mittlerweile ziemlich gerne Deutsche«, sagt sie und ergänzt gleich, wie sehr sie sich an der Schwarz-Rot-Gold-Euphorie ihres Sohnes Tim zur Fußballweltmeisterschaft 2006 erfreut hat. Einer Frau mit ihrer ambivalenten Geschichte und der Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte in jungen Jahren nimmt man dieses fast erleichterte Bekenntnis gerne ab, auch wenn es argumentativ auf die Frage, ob sie denn auch stolz sei, Deutsche zu sein, etwas brüchig wird. Der Begriff behagt ihr sichtlich nicht. Aber: »Ich habe heute ein gutes Gefühl, wenn Tim zu uns kommt und fragt, was wir eigentlich gegen die Hymne hätten, die sei doch sehr positiv und friedlich im Vergleich zum martialischen Ton der Hymnen anderer Länder.«
Überhaupt Tim - ihr nun gerade von zu Hause ausgezogener Sohn - scheint durchaus auch ein Hahn im Korb zu sein, nicht hennenartig bemuttert, aber doch behütet. Für ihn hat sie das Rauchen aufgegeben, obgleich Bruns der Typ Frau ist, dem man eine Zigarette zwischen den Lippen durchaus auf den ersten Blick zutraut. Eindruck macht ihre klare Reaktion auf die Frage nach ihrer Haltung zu Baader/Meinhof: »Deren Position war für mich nie eine Versuchung. Allein schon deshalb, weil die ohne Zögern ihre Kinder einfach aufgegeben haben.« Klare Antwort.
Nun also ist Tissy Bruns wieder beim Tagesspiegel , zurzeit als »Sonderkarpfen« (Bruns über Bruns als Chefkorrespondentin). In ihrem funktional eingerichteten Büro im Haus der Bundespressekonferenz finde ich neben einer erwartbaren Karikatur von Angela Merkel, die sie - in unübersehbarer Größe - als männermordende CDU-Vorsitzende zeigt, ein bekanntes Bild vom Mannheimer Parteitag der SPD aus dem Jahr 1995. Der Sturz Scharpings als Erinnerung an die Vergänglichkeit politischer Macht.
Auch hier sagt ein Blick mehr
Weitere Kostenlose Bücher