Schmierfinken - Politiker ueber Journalisten
lassen. Der Investigativ-Journalist in mir war geweckt.
Die Recherche beginnt mit einer beruhigenden Erkenntnis: Journalisten müssen in Zeiten des Internets, der Blogger und Kommentatoren mit ebenso schnellen wie garstigen Reaktionen der Leserschaft rechnen, wie Politiker mit denen der Wähler. Dies gilt umso mehr, wenn sich Chefkorrespondentin Tissy Bruns in einem Tagesspiegel -Kommentar kontrovers zu ihrem Lebensthema äußert: zur Frauenfrage.
Das Internetforum des Tagesspiegel ist voll von nicht nur wohlwollenden Meinungen zum Kommentar, in welchem Bruns die an der Ministerpräsidentenwahl gescheiterte hessische SPD-Vorsitzende Andrea Ypsilanti der weinerlichen Opferinszenierung zeiht und von Frauen fordert, nicht nur die Freiheit, sondern auch die aus ihr resultierende Verantwortung - selbst beim Scheitern - anzunehmen.
Soll heißen: Erst das ganz große Rad drehen wollen und dann die Verantwortung für den Misserfolg auf andere, auf »die vier Verräter«, zu schieben, das passe nicht zusammen. Gerade nicht für eine Frau, denn das liefere nur unnötige Munition für die Männer.
Diese kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Geschlecht ist die konsequente Fortsetzung ihres Kampfes für die Gleichberechtigung der Frauen und um die Frage, ob du Huhn bist oder Hahn. Ein Kampf, der sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zieht. Als junges Mädchen hat sie sich den Gang zum Gymnasium gegen den Willen der Mutter erkämpft, sie wird erste Frau im Vorstand der Vereinigten Deutschen Studentenschaft und als erste Frau im Jahr 1999 Vorsitzende der Bundespressekonferenz, der ehrwürdigen Institution, in der sich schon zu Bonner Zeiten die Hauptstadtjournaille organisiert hatte. »Da bin ich schon ein bisschen stolz drauf«, bekennt sie.
Mit wohligem Lächeln erinnert sie sich an die »Zeit der Verschwisterung«, als in den Neunzigern Frauen im Streit um den Abtreibungsparagrafen im Strafgesetzbuch zusammenrückten und zusammen kämpften, gerade auch Politikerinnen und Journalistinnen. Mit einer gewissen Bewunderung beschäftigt sie sich mit Marie Juchacz, die nach Erkämpfung des Frauenwahlrechtes 1918 die erste Rede einer Frau in einem deutschen Parlament hielt. Betont Frau sein, das kann allerdings auch anstrengen - zumindest die anderen: »Dass sie eine Frau ist, sieht man, das muss nicht bei jeder Gelegenheit herausgekehrt werden, das kann schon ziemlich nervig sein«, meint ein Journalistenkollege zu Tissy Bruns; »Manchmal geht das Emanzipatorische schon etwas mit ihr durch. Aber das ist glücklicherweise die Ausnahme«, sagt ein anderer.
Eines allerdings muss man ihr hoch anrechnen: Dass sie es nicht den Feministinnen gleichtut, die noch heute blind für das Erreichte bei jeder kleinen Ungerechtigkeit laut- und wortstark den Freiheitskampf ausrufen. Stattdessen spricht sie die Tabuthemen der Bewegung offen an, auch wenn es weh tut, wie etwa die indifferente Position vieler Frauenbewegter zu Zwangsheirat und Ehrenmord bei türkischen Zuwandererfamilien in Deutschland oder die Beförderung des Frauenhandels aus Osteuropa durch die Legalisierung der Prostitution.
Dass es einen Unterschied macht, ob du Huhn bist oder Hahn, musste Tissy Bruns auch beim Bundespresseball erleben. Dieser wird alljährlich traditionell mit dem gemischten Tanz des Bundespräsidentenpaares und des Vorsitzenden der Bundespressekonferenz samt Partner eröffnet. Da nun Bruns die erste weibliche Vorsitzende der Bundespressekonferenz war, war sie logischerweise die erste, die mit dem Präsidenten höchstselbst und nicht, wie alle ihre männlichen Vorgänger, mit dessen Frau tanzte. Und obgleich dieser Tanz in der Regel nur wenige Sekunden dauert, wurde das Bild des Präsidenten mit der obersten Journalistin im Arm - oder war es umgekehrt?! - für viele zum Sinnbild der Umarmung, ja Verschränkung von Politik und Journalismus. »Dirty dancing« untertitelte der Tagesspiegel später das Bild der beiden Tänzer, was sie selbst bis heute spürbar wurmt. Wie aber steht es um das Verhältnis von Politikern und Journalisten in der Hauptstadt?
Als eine »Misstrauensgemeinschaft« bezeichnet Tissy Bruns die Beziehung, deren größte Herausforderung auf beiden Seiten es sei, das Verhältnis von Nähe und Distanz im
Spagat immer wieder aufs Neue auszutarieren. Denn, so ihr offenes Bekenntnis, Nähe zu den Mächtigen in der Politik übe natürlich auch auf Journalisten einen Reiz aus, der Tanz mit dem Präsidenten ebenso wie das
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