Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
Zeit. Etwa eine Stunde später warteten sie auf die Bedienung, um ihre
Rechnung zu bezahlen.
»Hat es Ihnen
geschmeckt?«, wollte die freundliche Frau wissen, nachdem sie das Geld in ihrem
großen Portemonnaie verstaut hatte.
»Sehr gut, vielen Dank«,
antworteten Lenz und Maria wie aus einem Mund.
»Dann würde ich mich
freuen, Sie bald wieder in der Kneshecke
begrüßen zu dürfen«, erwiderte sie und nickte mit dem Kopf. »Tschüss,
und gute Heimfahrt.«
»Eine Stunde Autofahrt
für ein paar Schweinerippen«, murmelte der Kommissar auf dem Weg zum Wagen.
»He, he, es war doch wohl
ein klein bisschen mehr als nur die Schweinerippen, oder?«
»Absolut richtig«,
bestätigte er, während er ihr die Tür aufhielt. »Mein erstes Nacktbaden, und
mein erster Sex im Freien. Wenn das nicht der Beginn einer wunderbaren
Freundschaft ist?«
Sie sah ihn aus dem Sitz
fassungslos an. »Du hattest es noch nie in der freien Natur gemacht?«
»Nein.«
»Ich auch nicht.«
»Erzähl nichts.«
»Ich schwöre«,
versicherte sie ihm mit erhobener rechter Hand. »Aber nackt gebadet hatte ich
wenigstens schon mal.«
»Wenigstens etwas«,
nuschelte er und warf die Tür zu.
Die
komplette Rückfahrt über hielten sie sich an den Händen, hörten der Musik aus
dem CD-Player zu und genossen die Anwesenheit des anderen. Als sie auf die hell
erleuchtete, noch immer flimmernde Stadt zurollten, hatte Lenz das Gefühl, sein
Leben würde völlig neu beginnen. Völlig neu, und völlig mit Maria.
»Meinst du, wir sollten
es riskieren, direkt vor der Tür zu parken, wenn es dort einen freien Platz
gibt?«, fragte er sie kurz vor seiner Wohnung.
»Warum nicht? Wir müssen
uns nicht verstecken, und wenn irgendjemand etwas über uns schreiben will,
macht er es mit oder ohne Auto vor der Tür. Außerdem habe ich keine Lust mehr,
wie ein Dieb durch die Hintertür zu schleichen.« Sie beugte sich zu ihm hinüber
und küsste ihn. »Je schneller unser Leben so etwas wie Normalität erreicht,
desto besser. Was meinst du?«
Vielleicht verliere ich
deswegen meinen Job ,
wollte er
antworten, verkniff es sich jedoch.
»Je schneller, desto
besser. Sehe ich genauso«, antwortete er stattdessen, steuerte den Volkswagen
in eine Parklücke etwa 100 Meter von seinem Hauseingang entfernt, und drehte
den Zündschlüssel um. »Das war ein wundervoller Abend, Maria. Vielen Dank
dafür.«
»Ich hab zu danken«,
erwiderte sie. »Ich hab dafür zu danken, dass du irgendwann in meinem Leben
aufgetaucht bist und es bis jetzt nur bereichert hast. Und jetzt bring mich
rein, gib mir irgendwas gegen dieses brutale Sodbrennen, das mich fast
umbringt, und dann ins Bett.«
»Mit dem allergrößten
Vergnügen.«
Er ließ das Cabrioverdeck
zugleiten, schälte sich aus dem Wagen, half ihr beim Aussteigen, kramte die
Tasche vom Rücksitz und drückte auf den kleinen Knopf am Schlüssel. Ein sattes
Klacken war die Antwort. Maria hakte sich bei ihm unter, legte den Kopf auf
seine Schulter und gähnte, während sie neben ihm her auf den Eingang zustrebte.
In diesem Moment löste sich eine Gestalt mit schlohweißem Haar und verwittertem
Gesicht aus einem der Hauseingänge auf der anderen Straßenseite, duckte sich in
den Schutz eines am Bordstein geparkten Autos und verfolgte mit hasserfülltem
Blick den Mann und die Frau, die mit langsamen Schritten auf das Haus zugingen.
In seiner rechten Hand blitzte ganz kurz die lange, glänzende Klinge eines
Springmessers auf.
26
Uwe
Wagner, Pressesprecher der Kasseler Polizei und bester Freund von Hauptkommissar
Lenz, stand auf, stoppte den Plattenspieler und griff nach der Langspielplatte.
Sorgsam schob er die schwarze Scheibe zurück in die Hülle, ordnete sie in das
vorgesehene Fach im Schrank und nahm sich als Nächstes eine alte, sehr seltene
Aufnahme von Thelonious Monk, einem großen amerikanischen Jazz-Pianisten.
Behutsam beförderte er den Tonträger auf den Plattenteller, schob den Tonarm
über die Eingangsrille und senkte ihn ab. Schon bei den ersten Takten lief ihm
ein leichter Schauer über den Rücken.
Seit seiner frühesten
Jugend war Wagner vom Hi-Fi-Bazillus befallen. Selbst als er noch ein kleiner
Auszubildender war, investierte er den größten Teil seines Lohnes in
Stereogeräte und Schallplatten. Mit den Jahren war seine Sammlung immer umfangreicher,
die Stereoanlage mehr und mehr zur Kapitalanlage geworden. Seine Frau, und
darüber war er
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