Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
stimmte Hain begeistert zu, griff zum
Telefon und wählte die Nummer des Präsidiums.
»Hain«, meldete er sich,
»ich brauch mal den KDD.«
Während der Oberkommissar
den Kollegen des Kriminaldauerdienstes die Personalien der Adoptiveltern
durchgab und darum bat, die aktuellen Wohnsitze und speziell die
Aufenthaltsorte der Adoptivkinder zu ermitteln, sinnierte Lenz über den zu Ende
gehenden Tag nach.
Ein Toter, viele
zurückgelegte Kilometer, und wenig Ergebnisse, dachte er bei sich. Dann
beendete Hain das Gespräch und steckte sein Telefon weg.
»Zu dir oder zu mir?«,
fragte er feixend.
»Fahr mich einfach nach
Hause, Thilo. Meinen Wagen brauche ich nicht, ich werde nämlich die meiste Zeit
des Wochenendes das Bett nicht verlassen. Außerdem macht es ohnehin bestimmt
mehr Spaß, mit Marias Cabrio durch die Landschaft zu fahren.«
»Das kann ich mir gut
vorstellen«, bestätigte der Oberkommissar und setzte sich in Bewegung.
Kurze
Zeit später betätigte Hain den Blinker und wollte in die kleine Nebenstraße
einbiegen, in der sich der Eingang zu Lenz’ Wohnung befand, doch der
Hauptkommissar stoppte ihn mit einer Handbewegung.
»Lass mich hier raus,
Thilo, ich gehe durch die Waschküche. Wer weiß, wie viel Presse heute Abend vor
meiner Tür herumlungert.« Er griff zum Türöffner, zog den verchromten Haken
nach innen und schälte sich aus dem Wagen. »Mach’s gut, Junge. Und wenn was
Besonderes sein sollte, telefonieren wir. Aber nur dann. Klar?«
»Klar. Schlaf gut.«
»Ich geh nicht schlafen.
Ich mache jetzt eine Landpartie mit anschließendem Biergartenbesuch. Tschüss.«
Damit ließ er den leicht verstörten Kollegen zurück und verschwand im Gebüsch
neben der Straße.
*
Schon
im Hausflur konnte er Marias Altstimme hören, die gegen einen Hit aus dem Radio
ansang.
»Ich bin zu Hause«, rief
er in die Wohnung.
Schlagartig verstummte
Marias Gesang, kurz danach die Musik aus den Lautsprechern. Dann ging die
Wohnzimmertür auf und Maria sprang ihn an und deckte sein Gesicht mit Küssen
ein. Sie trug ein Tuch auf dem Kopf, das den Kommissar an den Aufzug der
Trümmerfrauen in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erinnerte.
»Ho, ho, das Anspringen
bei meiner Heimkehr wird wohl zur Gewohnheit«, konstatierte er fröhlich.
»Worauf du dich verlassen
kannst«, gab sie nuschelnd zurück und fand mit ihren Küssen seinen Hals. »Du
schmeckst nach Nordsee«, schnurrte sie.
»Das glaube ich gern. Und
genauso gern würde ich schnell unter die Dusche springen.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Abgelehnt. Ich habe andere Pläne.«
»Da bin ich aber
gespannt«, erwiderte er, trug sie in die Küche und setzte sie auf dem Tisch ab.
»Was habe ich denn noch so vor mir, nach deiner Planung?«
Sie schlug die Beine
hinter seinem Rücken zusammen und drückte kraftvoll zu. »Wir gehen baden. Wenn
es klappt, sogar nackt. Ich habe schon alles vorbereitet, wir können sofort
los.«
Lenz hatte nicht die
größte Lust auf eine Badepartie, doch er wollte auch nicht den Spielverderber
geben. »Dann auf.«
Maria machte sich von ihm
frei. »Ganz so schnell geht es leider nicht. Zuerst musst du dir noch was
anschauen«, erklärte sie ihm geheimnisvoll und nahm ihn bei der Hand.
»Augen zu«, befahl sie
und zog ihn hinter sich her ins Wohnzimmer. Dort blieb sie stehen und holte
deutlich hörbar tief Luft. »Nicht blinzeln. Ich habe ein bisschen umgeräumt und
ein paar kleine Veränderungen vorgenommen. Und ich hoffe ganz doll, dass es dir
auch gefällt. Augen auf.«
Lenz blinzelte
vorsichtig, öffnete dann die Augen komplett und wäre beinahe aus den Schuhen
gekippt. Sein altes Sofa war verschwunden und gegen eine große rote Ledercouch
ausgetauscht worden. Vor einem eleganten Tisch mit Chromfüßen standen zwei
passende Sessel, und alles war umrahmt von Grünpflanzen.
»Wie hast du …?«, wollte
er fragen, doch sie legte ihm einfach den Zeigefinger auf die Lippen.
»Das ist heutzutage alles
kein Problem mehr, Paul. Viel wichtiger ist, dass es dir gefällt. Zumindest
halbwegs.«
Er sah sich noch einmal
um, ließ sich auf der Couch nieder und zog seine neue Mitbewohnerin zu sich.
»Das ist mit Abstand das Abgefahrenste, was ich in meinem ganzen Leben erlebt
habe, Maria. Ich gehe heute Morgen aus dem Haus und abends ist alles anders
hier. Wahnsinn.«
»Aber gefällt es dir
denn?«
Er nahm sie in den Arm
und küsste sie zärtlich. »Na klar
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