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Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall

Titel: Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias P Gibert
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unterwegs?«
    »Worauf du einen lassen
kannst. Wenn wir den einen erwischen, haben wir den anderen auch.«
    »Hast du irgendeine Idee,
wo wir suchen sollten?«
    Der Hauptkommissar
schüttelte den Kopf. »Nein. Ich gehe nach unten und sehe mich dort um. Bleib du
hier oben und mach das Gleiche.« Er stieg die knarrende Treppe hinunter, bog
nach rechts in die winzige Küche ab, zog sich einen Stuhl heran und setzte
sich. Ich bin müde, dachte er gähnend. Saumüde sogar.
    Dann schloss er für einen
Augenblick die Augen und dachte an den Vorabend. Sofort konnte er Marias herben
Duft riechen und ihre samtige Haut spüren.
    Ich will auf der Stelle
ins Bett, durchzuckte es sein Gehirn.
    Daraus würde noch ein
paar Stunden nichts werden, das war ihm klar. Oben hörte er Hain Schubladen
öffnen und wieder zuschieben. Er stand auf, schüttelte die angenehmen Gedanken
ab und sah sich um.
    In dem kleinen
Vorratsschrank links neben dem Herd fand er eine größere Menge Tütensuppen und
Instant-Milchreis. Neben Zucker, Mehl und Salz stand ein halbes Dutzend
Konservendosen.
    So sah es bis vor ein
paar Tagen bei mir in der Küche auch noch aus, dachte er.
    Rechts vom Herd stand ein
kleiner, weiß gestrichener Küchenschrank aus den 50er-Jahren des vorigen
Jahrhunderts. Das Oberteil hatte Glastüren, von denen eine gesprungen war.
Zwischen Ober- und Unterteil gab es einen Freiraum, in dem jede Menge alte
Zeitungen lagen. Der Kommissar zog den Stapel heraus und blätterte ihn durch.
Die jüngste Ausgabe war eine Woche alt. Während er sich das Titelblatt ansah,
streifte sein Blick die rote Ecke eines Briefes, der zwischen den Gazetten lag.
Lenz griff mit spitzen Fingern danach und zog den an der Oberseite
aufgetrennten Umschlag heraus. Er war an Roman Krug adressiert. Die Schrift war
seltsam geschwungen, fast wie gemalt. Es gab keinen Absender auf der Rückseite,
und doch war der Polizist sicher, dass der Schreiber eine Frau gewesen sein
musste. Lenz unternahm den Versuch, das Datum des Poststempels zu entziffern,
was bei dem Schummerlicht in der Küche jedoch zum Scheitern verurteilt war.
Vorsichtig spreizte er das Papier, zog den Inhalt mit den Fingernägeln heraus
und ließ ihn auf den Tisch fallen. Dann öffnete er die linke Schublade des
Küchenschrankes und entnahm ihr zwei Gabeln, mit deren Hilfe er das wieder rote
und mit silberner Farbe beschriebene A4-Blatt entfaltete.

     
    Mein geliebter Roman!
    Es ist kaum zwei Tage her, dass ich mich aus deinen Armen
losreißen musste, und schon habe ich riesengroße Sehnsucht nach dir. Nach dir,
deinen Liebkosungen und Zärtlichkeiten. Es ist so schade, dass wir uns in der
nächsten Woche überhaupt nicht sehen können, aber auch diese Zeit wird
vorbeigehen. Bis jetzt habe ich das Skifahren geliebt, aber jetzt liebe ich
dich viel, viel mehr. Bis wir uns wiedersehen, denke ich immer an dich und
küsse dich tausendmal.

     
    In ganz, ganz, ganz, ganz ganz
innigen Gedanken, deine Jutta

     
    »Thilo,
komm runter«, rief Lenz aufgeregt durch die geöffnete Küchentür.

     
    *

     
    »Aber die beiden sind doch …«, setzte Hain völlig irritiert
an, nachdem er den Inhalt des Briefes mehrmals gelesen hatte.
    »Klar, so wie es
aussieht, sind sie Geschwister«, stimmte Lenz ihm zu. »Aber vergiss nicht, dass
sie sich erst vor zwei Jahren kennengelernt haben.«
    »Und, wie es den Anschein
hat, auch lieben«, ergänzte Hain.
    »Wie
auch immer, wir müssen die Bude auf den Kopf stellen. Ruf die Jungs von der
Spurensicherung an und sag ihnen, sie sollen sich sofort auf den Weg machen,
egal, was auch immer sie gerade vorhaben. Und bis sie hier sind, sehen wir uns
noch ein bisschen um. Aber schön vorsichtig, damit wir keinen Ärger kriegen,
davon haben wir nämlich schon genug am Hals.«
    Während Hain
telefonierte, wühlte Lenz sich durch einen weiteren Zeitungsstapel, der neben
dem Herd auf dem Boden lag, doch diesmal gab es neben teilweise vergilbtem
Papier keine Treffer. Nachdem er in jede Schranktür und jede Schublade gesehen
hatte, verlegte er seinen Einsatzort ins Wohnzimmer, wo er mit der gleichen
Akribie arbeitete, doch auch hier war nichts von Interesse zu finden. Hain war
wieder ins Obergeschoss zurückgekehrt und filzte dort alles noch einmal und
sehr gründlich.
    Etwa zehn Minuten später
trafen sich die beiden Polizisten wieder in der Küche.
    »Fehlanzeige. Keine
Waffen, keine weiteren Liebesbriefe, weder Computer noch

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