Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
nichts zu tun?«
»Wie es aussieht, könnten
wir uns da geirrt haben. Vielleicht hatte er doch etwas damit zu tun.«
»Und warum haben Sie ihn
dann laufen gelassen?«
»Er hatte ein
wasserdichtes Alibi, das Ihre Frau ihm geliefert hat. Sie hat uns erzählt, sie
hätte ein Verhältnis mit ihm und er sei zur Tatzeit mit ihr hier in der Wohnung
gewesen.«
Bade lief zuerst rot und
danach blitzartig kalkweiß an. »Jetzt reicht’s mir aber«, brüllte er die
Kripobeamten an. »Ich weiß nicht, wie Sie auf diesen Unsinn kommen, aber das
will ich mir nicht länger anhören. Machen Sie, dass Sie rauskommen, aber
sofort.«
Hain warf Lenz einen
fragenden Blick zu, doch der rührte sich keinen Millimeter.
»Bleiben Sie ruhig, Herr
Bade. Wie es aussieht, hat Ihre Frau Sie verlassen, und wie es weiterhin
aussieht, könnte sie zusammen mit diesem anderen Bruder, den sie mit an
Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat, drei Menschen umgebracht haben.«
Bade griff sich an den
Kopf. »Aber ich kenne doch ihre Eltern. Die haben außer den Zwillingen keine
Kinder gehabt, so glauben Sie mir doch. Das muss alles ein grandioser Irrtum
sein, dem Sie da aufsitzen.«
Nun hatte der
Hauptkommissar endgültig die Faxen dicke. »Wenn sie sich meldet, rufen Sie uns
sofort an. Ist das klar?«
Der Streifenpolizist
nickte.
»Dann wünsche ich Ihnen
noch einen guten Morgen. Legen Sie sich hin und schlafen Sie ein bisschen.«
»Was soll Jutta denn mit
diesen Menschen zu tun gehabt haben, die umgebracht wurden?«, versuchte Bade es
noch einmal. »Das Erste, was ich auf der Polizeischule gelernt habe, ist die
Frage nach dem Motiv. Was für ein Motiv sollte sie gehabt haben, einen oder
gleich mehrere Morde zu begehen? Sagen Sie mir das?«
Lenz widerstand dem
Impuls, ihn einfach stehen zu lassen und zu gehen. »Ferdinand und Waltraud
Preißler sind nicht die leiblichen Eltern Ihrer Frau. Sie ist mit ganz großer
Wahrscheinlichkeit die Tochter einer ehemaligen Bewohnerin des Jugendheims
Karlshof in Wabern und eines der dortigen Erzieher.«
Bei der Erwähnung des
Karlshofs zuckte Bade zusammen. »Der Karlshof in Wabern?« Er schlug die Hände
vors Gesicht. »Sie war in den letzten Monaten öfter dort, angeblich, weil sie
ehrenamtlich an einem Projekt zur Resozialisierung Jugendlicher mitarbeiten
wollte. Aber das ist doch …« Er schluckte. »Das ist … sie ist nicht die
leibliche Tochter von …?«
»Nein. Wir vermuten, dass
sie herausgefunden hatte, wer ihre leiblichen Eltern sind. Und sie hatte auch
herausgefunden, dass es einen Bruder gab, der damals von einer anderen Familie adoptiert
worden war.«
Wieder durchzuckte eine
Erkenntnis den Streifenpolizisten. »Dieser alte Mann, der in Kirchbauna
ermordet wurde, war doch ein ehemaliger Erzieher?«
Die beiden Kripobeamten
nickten.
»Hat er in Wabern
gearbeitet?«
»Ja, das hat er«, bestätigte
Lenz.
»Dann war er der
leibliche Vater von … Oh, mein Gott.«
29
»Ja,
Jutta Bade und Roman Krug.« Hain stand mit dem Mobiltelefon am Ohr vor dem
Haus, in dem Ralf Bade wohnte, und telefonierte mit Horst Lehmann vom
Kriminaldauerdienst. »Ja, genau die beiden«, rief der Oberkommissar in das
kleine Mikrofon. »Wie es im Moment aussieht, sind sie dringend tatverdächtig.«
Er lauschte ein paar
Sekunden. »Das kann ich dir jetzt auf die Schnelle nicht erklären, Lemmi. Sorg
einfach dafür, dass die beiden auf der Fahndungsliste landen, und zwar ganz
oben.« Wieder hörte er Lehmann ein paar Augenblicke zu. »Ja, und ich weiß auch
schon, was über Paul und mich in der Zeitung steht. Daran ist aber nicht viel
Wahres. Und jetzt mach’s gut, wir müssen weiter.«
Damit kappte er die
Verbindung und steckte das Gerät zurück in die Sakkotasche. »Jetzt bin ich
nüchtern«, bemerkte er süffisant. »Und nun fahren wir auf der Stelle nach
Hertingshausen, nehmen diesen Roman Krug fest, und legen uns gleich danach ins
Bett.«
»Genau so machen wir es«,
stimmte Lenz ihm zu und stieg in seinen Wagen.
Roman Krug wohnte in einem kleinen, von außen nicht sehr
einladend wirkenden Einfamilienhaus im Ortskern von Hertingshausen, einem
Stadtteil von Baunatal. Die Polizisten klingelten mehrmals, doch es rührte sich
nichts im Innern.
»Ein Versuch noch«,
meinte Hain und legte erneut den Finger auf den alten, abgewetzten
Klingelknopf. Wieder warteten sie eine Weile, doch es geschah nichts. Der
Oberkommissar deutete auf
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