Schmuddelkinder - Lenz sechster Fall
einen Plattenweg, der um das Haus und vermutlich in
den Garten führte.
»Wollen wir?«, setzte er
eine mehr rhetorisch gemeinte Frage ab.
»Wir wollen«, bekräftigte
sein Chef und ging voraus.
Der winzige, verwilderte
Garten, der sich dem Haus anschloss, war von hohen Hecken umsäumt, die einen
perfekten Sichtschutz darstellten. In der Mitte der kleinen Rasenfläche stand
ein wohl lange Zeit nicht mehr benutzter, verrosteter Grill, in dem ein paar
Holzkohlestücke auf den Überresten des letzten Regengusses Freischwimmübungen
machten. Hinter einer durchsichtigen Plastikwand waren einige Gartengeräte zu
erkennen, die in Anbetracht ihres Zustandes den Dienst sicher schon vor
längerer Zeit eingestellt hatten. Über einen kleinen Absatz erreichte man so
etwas wie eine Terrasse, auf der zwei Stühle und ein Tisch aus Plastik standen.
Dahinter führte eine große, verglaste Tür ins Haus. Lenz sah kurz ins Innere
und zog die Augenbrauen hoch. In dem Moment, als er an die Scheibe der Tür
klopfen wollte, fuhr sie nach innen auf. Die beiden Polizisten sprangen
erschrocken zur Seite.
»Was ist denn das?«,
flüsterte Hain.
»Keine Ahnung. Vielleicht
erwartet er Besuch?«
»Gehen wir rein?«
Lenz dachte darüber nach,
zuerst Verstärkung in Form von ein paar Streifenwagen anzufordern, entschied
sich jedoch dagegen und nickte. »Aber vorsichtig. Und denk immer schön an
deinen siebten Halswirbel«, zischte er.
Hain
betrat mit einem schnellen Schritt das Haus, sah sich kurz um und winkte Lenz
zu, dass er nachkommen solle.
»Hallo, Herr Krug? Sind
Sie zu Hause?«, rief der junge Oberkommissar.
Keine Reaktion.
Nebeneinander
gingen sie langsam durch den Raum, der offensichtlich als Wohnzimmer diente.
Neben einer dunklen, mächtigen, für die kleine Fläche viel zu wuchtigen
Schrankwand standen ein Flachbildfernseher und ein paar Hi-Fi-Geräte. Auf der
anderen Seite, neben der Terrassentür, gab es ein Sideboard mit einer
gehäkelten Decke darauf.
»Mein Gott«, entfuhr es
Hain beim Anblick dieser geballten Ladung Spießigkeit.
Lenz winkte ab, bedeutete
ihm, nicht zu sprechen, und strebte auf die einzige Tür zu, die weiter ins Haus
führte. Von dort gelangten sie über einen kleinen Flur in die Küche, in der es
bis auf ein paar dreckige Teller im Spülbecken nichts zu sehen gab. Sie drehten
sich um, gingen zurück in den Flur und warfen einen Blick auf die Holztreppe,
die ins obere Geschoss führte.
Hain deutete mit den
Händen an, dass seiner Meinung nach diese Konstruktion einen irrsinnigen Krach
veranstalten würde, wenn man auch nur einen Fuß darauf setzte. Lenz nickte
zustimmend und zog die Schultern hoch.
»Hallo?«, rief Hain
erneut, doch wieder blieb es im Haus still.
»Ich glaube nicht, dass
da jemand ist«, sagte Lenz leise mit einem Fingerzeig in die erste Etage. Hain
dachte offenbar das Gleiche, denn er betrat die Treppe, die tatsächlich
furchtbar quietschte und knarrte, und stieg in leicht gebückter Haltung und
voller Konzentration Stufe um Stufe nach oben.
Zuerst sah er in das
kleine Bad, danach drehte er sich nach links und legte das Ohr an die einzige
weitere Tür auf dem kleinen Flur. Lenz, der am unteren Ende der Treppe stehen
geblieben war, betrat, untermalt von einem lauten Knarren, die erste Stufe und
sah gespannt nach oben.
Hain lauschte erneut,
doch er konnte nichts hören. Nachdem er ein weiteres Mal zu Lenz gesehen hatte,
drückte er langsam die Klinke herunter und schob die Tür nach innen.
Ein Bett, ein alter,
verkratzter Schrank, ein paar Zeitschriften und ein vollgestopfter
Aschenbecher, mehr gab es in dem Raum nicht zu sehen. Mehr, um ein guter
Polizist zu sein, öffnete er eine Schranktür nach der anderen und warf jeweils
einen kurzen Blick hinein, doch auch von dort drohte keine Gefahr.
»Hier ist niemand«, ließ
er seinen Chef wissen. Lenz hatte den ersten Stock erreicht, betrat ebenfalls
den Raum, rümpfte die Nase über den ekelhaften Gestank des kalten Rauchs und
trat wieder auf den kleinen Flur.
»Wollen wir uns noch ein
wenig hier umsehen oder fahren wir gleich zurück nach Kassel?«, fragte Hain aus
dem Hintergrund.
Lenz dachte ein paar
Sekunden nach. »Lass uns noch ein bisschen hier bleiben und uns umsehen. In
Kassel fällt ohnehin nur jeder über uns her, der uns erwischt. Vielleicht
finden wir ja sogar etwas, was uns auf die Spur der beiden bringt.«
»Du glaubst, die Frau und
er sind gemeinsam
Weitere Kostenlose Bücher